berlinale szene Hello, Goodbye

Diese ganze Euphorie

Am Tag vor dem Start hat der Potsdamer Platz etwas von einer boomenden Präriestadt. Der Marlene-Dietrich-Platz steht noch kulissenhafter als sonst da. Überall wird gesägt, gehämmert, gezimmert, werden Chromgestänge verschraubt. Aus offenen Lieferwagen ragen eingeschweißte Teppichrollen, Männer bewegen Sackkarren und Gabelstapler umher.

Die „Mamma Mia“-Werbung schwebt von der Theaterfront zu Boden, unten wartet das „Berlinale Palast“-Emblem auf die Montage. Bald werden wieder frierende Fernsehgesichter mit Mikrofonen davorstehen. Wichtig, wichtig!, sagt die Körpersprache der vorbeihastenden, dunkel gekleideten Dämchen und Herrchen. Schon bald werden einen die Medienbranchengesichter wieder zutiefst deprimieren, wie auch diese ganze „Wir bauen eine neue Stadt“-Euphorie zu Beginn schon überfordert. Die Programme sind gedruckt, man könnte sich einen ersten Stundenplan machen, hat sich aber vorgenommen, diesmal nicht zu viele Pläne zu machen. Einiges wirkt doch schon im Vorfeld recht abschreckend, der Rolling-Stones-Eröffnungsfilm, unnötig wie ein Kropf …

In der Ferne, am Reichpietschufer, hält der gelbe M29er, und wie so oft braucht es zur plötzlichen Aufheiterung nur eine ganz banale Erkenntnis: Man kann ja, wenn es zu blöd wird, einfach ein paar Stationen fahren, und schon kriegt man von dem Rummel nichts mehr mit.

CHRISTIANE RÖSINGER