: Mit dem Leuchtstab gegen das Laserschwert
Shouting: Lager, Lager! Die Stadion-Raver von Underworld traten am Dienstag in der Columbiahalle auf. So unsubtil wie eh und je und mit einem hoffnungslos veralteten Sound. Eine spaßige Veranstaltung in 90er-Jahre-Manier, bei der alle nur auf den Hit „Born Slippy“ warteten
Der Underworld-Hit „Born Slippy“ ist ein echtes Phänomen. Jeder kennt ihn, weil jeder schon mal den Film „Trainspotting“ gesehen hat, aus dem der Song stammt. Doch will man die Nummer jemandem vorsingen, dem partout nichts zu Underworld einfallen mag, dann funktioniert das einfach nicht. „Lager, Lager“ und „Mega, Mega“ fängt man dann an zu singen, und schon weiß man die Fortsetzung nicht mehr. Man stammelt noch ein wenig weiter, es kommt noch irgendwas mit „Lipstick boy“ und „Angel Boy“ – ganz sicher ist man sich dabei aber auch nicht –, um dann doch wieder bei „Lager, Lager“ und „Mega, Mega“ zu landen.
Ein derartiger Song passte perfekt zum ausklingenden Neunzigerjahre-Rave, zu dessen Hymne er wurde. Man taumelte zur schier endlos marschierenden Bassdrum, vergaß alles um sich herum, hängen blieb nur, was gemeinsam mitgegrölt werden konnte. Und in diesem Fall außerdem: Ewan McGregor als perfektes Gesicht der Neunziger, lange bevor er sich in Obi Wan-Kenobi in „Star Wars“ verwandelte, was weit weniger zu ihm passte als das Spielen eines Drogenwracks.
Beim Auftritt von Underworld in der Columbiahalle ging es eindeutig darum, die Zeit zurückzudrehen und sich Ewan McGregor wieder ohne Laserschwert vorzustellen. Rave und Underworld in der Großraumhalle wurden zu einem echten Nostalgieabend, und letztlich warteten alle mal mehr und mal weniger enthusiastisch das ganze Konzert über auf den einen großen Hit, also natürlich auf die Zugabe. Und dann wieder alle: „Lager, Lager“ und „Mega, Mega“ und schön die Arme in die Luft werfen!
Über all die Jahre hinweg, das fiel wieder mal auf, haben Underworld ihren Trademark-Sound nicht groß verändert, anders als ihre Stadion-Rave-Kollegen von den Chemical Brothers haben sie eigentlich immer das Gleiche gemacht. Losgeh-Techno ist das pausenlos, der sich manchmal in unsinnig ruhigen und langweiligen Passagen verirrt und der aus heutiger Sicht hoffnungslos veraltet klingt. Dazu kommt so ein hymnisches, typisch englisches Oasis-Gefühl, für das vor allem Sänger Karl Hyde sorgt, der auch nur deswegen gelegentlich zur Gitarre zu greifen scheint. Diese Musik ist rockistischer Techno und eindeutig maximal statt minimal. Man betritt die Halle und denkt sofort: Ohropax. Beständiges Basswummern, alles eher breiig als subtil, der Effekt in Permanenz. Genau so wollten das alle hier natürlich haben.
Auch stylemäßig präsentierten sich Underworld nicht zwanghaft leise und geschmackvoll. Karl Hyde schien mitbekommen zu haben, dass in Deutschland gerade Karneval gefeiert wird, und trug eine Art silbrig glitzernden Arztkittel über einem schwarzen T-Shirt, was ziemlich unmöglich aussah und auch nach ausgiebiger Analyse keine Schlüsse auf irgendeinen Trend der Neunziger zuließ. Auch im Publikum wurden erstaunlicherweise kaum Trainingsjacken gesichtet, die noch zu „Trainspotting“-Zeiten obligatorisch waren. Neunziger-Nostalgie hin oder her: Trainingsjackenpolyesterschweiß bleibt out.
Dafür feierte ein anderes klassisches Rave-Ära-Utensil sein Comeback: der Leuchtstab. Riesige Gummiwürste wurden wie ein Lichtdom rund um die Bühne aufgebaut, was aussah wie eine Präsentation der anerkannt weltgrößten Leuchtstäbe. Sie schwankten eher unelegant hin und her, was ein wenig an Kindergeburtstag erinnerte und allen große Freude bereitete. Showmäßig hatte man sich also echt etwas einfallen lassen. Underworld betreiben nebenbei die Grafikagentur Tomato, was sich noch am ehesten in den Visuals niederschlug, die ganz gut kamen und eher nicht gestrig aussahen, sondern bereits in Form effektvoll verfremdeter Naturimpression die Modefarben des kommenden Frühlings präsentierten, nämlich Fuchsia und Mintgrün. Gegen Ende brauchte jedoch niemand mehr diese Visuals, und auch aus den Leuchtstäben wurde die Luft gelassen. Es war Zeit für „Born Slippy“, dessen Text auf dem Weg nach Hause schon wieder vergessen war.
MARTINA MESCHER
ANDREAS HARTMANN