: Auf’m Amt, Hand in Hand
Vorbereitung: „Hochzeit. Vom Antrag bis zu den Flitterwochen“, Katharina Mahrenholtz, Sanssouci 2007 Vollzug: „Deutschlands schönste Standesämter“, Astrid Mannes, Verlag Heel 2008 Kulinarik: „Martha Stewart’s Wedding Cakes“, Clarkson Potter 2007 Takt & Ton: „Die perfekte Hochzeitsrede“, Andreas Kobschätzky, G + U 2008 Hintergrund: „Warum die Frau den Hut aufhatte. Eine kleine Kulturgeschichte des Hochzeitsrituals“, Angelika-Benedicta Hirsch, V & R, erscheint am 22. 2. 2008
Heiraten ist wie Einparken vor einer Café-Terrasse: Aufregend. Und schön, wenn’s klappt
„The deep, deep peace of the double bed after the hurly burly of the chaise-longue.“(Mrs Patrick Campbell in: A. Woollcott. While Rome Burns, 1934
Man macht sich ja lächerlich. Vor den von nah und fern angereisten Freunden, vor den Verwandten. Vor allem vor den Beamten, die das gleiche Schauspiel täglich in all seinen Inszenierungen mitmachen. Da sitzt man nun. Die Braut hat sich textil aufgerüscht und frisch geschminkt, der Bräutigam hat sich einen anständigen Anzug angezogen. Das Kind wurde gewaschen und mitgeschleppt, schläft auf dem Schoß der Schwiegereltern. Gemeinsam sitzt man vor einer freudig geifernden Horde und kehrt sein Inneres, das man sonst so gut eingekorkt mit sich herumträgt, nach außen.
Man bekennt sich zueinander, für immer und ewig. Der Mann, den man liebt, der in wenigen Momenten der Ehemann sein wird, sitzt neben einem, sieht im Anzug verdammt gut aus. Gemeinsam lauscht man den Worten der Standesbeamtin. Der Braut kullern die Tränen aus den Augen, die Trauzeugin fängt an zu weinen, die Brautmutter sowieso, und auch die Augen des Bräutigams werden feucht. Man wird gefragt, ob man denn nun die Ehe eingehen möchte. „Ja,“ sagt man dann meistens, und kaum sagt der andere auch „Ja“, also noch bevor man irgendeine Unterschrift geleistet hat, ist man vor dem Gesetz verheiratet, und kommt so schnell aus der Chose nicht mehr raus. Die Partnerschaft ist nicht mehr ein lockeres Gebilde, sondern eine Institution. Und wie es mit Institutionen so ist, wird ein Verstoß gegen sie mit Sanktionen bestraft.
Vielleicht ist es die Vorstellung der Strafe und der danach folgenden Sühne, gepaart mit dem kitschigen Liebesbekenntnis, die Heiraten in unseren Zeiten aus der Mode kommen lässt. Man lebt selbstbestimmt – und Emotionen sind eher das, was diese schrecklichen Menschen im Fernsehen vor laufender Kamera haben, wenn sie bei der Castingshow rausfliegen, aber keinesfalls das, was man sich selbst zugesteht. Ein aufgeklärter Mensch, eine befreite Frau, ein aufgeklärter Mann wollen doch nicht um Taschentücher betteln! Aber ist es nicht auch schön, wenn man jemanden hat, den man sein Leben lang verbrieft um ein Tempo bitten kann?
Zwar finden sich Paare wie eh und je, aber sie heiraten nicht mehr so häufig wie früher. Es besteht in den meisten Fällen keine Notwendigkeit mehr, Frauen sind glücklicherweise berufstätig, Männer manchmal auch. Das geteilte Sorgerecht für ein gemeinsames Kind erteilt das Jugendamt ohne große Formalitäten, gesellschaftlicher Druck lässt sich leicht abschütteln. „Jetzt war es an der Zeit zu heiraten“, sagt kein Mensch mehr, es sei denn, er sorgt sich um seine Rente. Man könne auch ohne die Zwänge der Institution, oder vor allem dann, gemeinsam glücklich sein. Heimlich freut sich der Hochzeitsverweigerer doch, sich der Peinlichkeit nicht preisgeben zu müssen, die in diesem emotionalisierten Ritual der Heirat steckt. Um die Lust am Ritual dennoch zu erhalten und der Hochzeitsverweigerin ein wenig Spielraum zuzugestehen, werden die gemeinsamen Kinder zur Taufe in die Kirche getragen. So hat man alles hübsch gelöst, ohne seine Gefühle oder auch die bucklige Verwandtschaft, für die man sich schämt, preisgeben zu müssen.
Aber gerade in diesem Preisgeben manifestiert sich das Besondere am Heiraten. Man bekennt sich ohne Not zueinander, egal woher der andere kommt. Etwas Schöneres gibt es in der zwischenmenschlichen Beziehung nicht. „Ja“ zu sagen, zu einem Menschen, den man liebt, der im Gegenzug auch „Ja“ sagt. Ohne Einschränkungen. Der Lustgewinn, der aus diesem wenig spontanen, wohlüberlegten Bekenntnis entsteht, euphorisiert wie eine bestandene Prüfung. Zwar lagen die Chancen, zu bestehen, recht hoch, aber man weiß ja nie, was noch danebengehen kann. Ein Stau, ein vergessener Personalausweis. Ein „Nein“?
Umso glücklicher also, wer es geschafft hat. Die Autokorsos mit lautem, andauerndem Gehupe, wie sie bei den türkischen Berlinern gerne zur Hauptverkehrszeit abgehalten werden, sind Zeuge davon. Menschen, die zu einander finden und dies auch offen zugeben, können sich auf die Mitfreude der anderen verlassen.
Es gibt Situationen im Leben, die nimmt der eine leicht, der andere schwer. Die öffentliche Zurschaustellung der Gefühle gehört ganz sicher dazu. Doch auch ein großer emotionaler Aufwand, die Aufregungen und die Nervosität zahlen sich am Ende aus. Man hat sich der Liebe seines Partners vergewissert und gleichsam auch Gewissheit geschenkt. Und jedes Jahr ergibt sich wieder die Gelegenheit, sich an diese Gewissheit und auch an die schwitzigen Hände zu erinnern.
Der Weg zum Eheleben ist ein wenig wie ein Rangiermanöver vor einer belebten Caféterrasse. Die Parklücke ist winzig, der Wagen zu groß, alle schauen einem zu. Man schwitzt und schwitzt, setzt vor und zurück, nicht wissend, ob die Bemühungen wirklich mit Erfolg gekrönt werden. Hat man es dann geschafft, kann man wirklich verdammt glücklich sein. NATALIE TENBERG