: Alternde Helden
Vor 30 Jahren erschien die erste „The Cure“-Single. Morgen Abend sind die zum Quartett geschrumpften Gothic-Popper in der Color Line Arena zu Gast
„The Cure“ waren die ungeschlagenen Helden meiner frühen Adoleszenz. Zwar zierte als Erster Bob Marley und dann für eine kurze Zeit natürlich Jim Morrison den heiligen Platz an der Wand über meinem Kopfkissen, dann aber stieß mein nach Orientierung suchendes pubertierendes Gehirn auf „Disintegration“ und Robert Smith zog an den heiligen Ort. Etwas derart Bombastisches, Episches, Schwermütiges, Beklemmendes, Erhabenes und Vollständiges hatte ich noch nie gehört. Eine Platte, an deren Angst, Wahnsinn und Resignation fast alle meine hoffnungsvollen Kindheitsträume für immer zerschellen konnten. Eine Platte wie die Faust auf mein nervöses Auge. Eine Platte, die auch meine Eltern nervös machte. In diesem einen Punkt stimme ich übrigens mit „South Park“s Trey Parker und Matt Stone komplett überein: „Disintegration“ ist tatsächlich bis heute das beste Album der Welt. Ich weiß es, ich habe es gefühlte tausend Male gehört.
Auch meine Enttäuschung, als Robert Smith und seine Mannen mit „Wish“ Urlaub in Licht durchfluteten, fluffig-zuckrigen Höhen machten – erst etliche Jahre später konnte ich ihnen ohne schlechtes Gewissen dahin folgen –, hat den moppeligen Mann mit den toupierten Haaren und dem verschmierten Lippenstift nicht von seinem Platz über meinem schlafenden Kopf vertrieben. „Wild Mood Swings“ war zwar schlimm und ich habe sie nicht einmal durchgehört, aber „Bloodflowers“ und „The Cure“ haben mich wieder versöhnt.
Heute bin ich so alt, wie Robert Smith damals war, als meine Kindheit zu Ende ging und Gothics noch Grufties hießen. Wenn ich die DVD vom „Trilogy“-Konzert heute ansehe, denke ich: Meine Güte, sind die alt geworden. Aber mein Herz schlägt immer noch höher, wenn „Pictures of You“ oder „The Same Deep Waters As You“ erklingt. Und ich bin gespannt, wie das dreizehnte Studioalbum ausfallen wird. Im Mai soll es erscheinen, ein Doppelalbum mit dem Titel „4:13“. Bisher ist ein Song bekannt und der lässt hoffen.
Weil Herr Smith spätestens dann wieder traditionell mit Auflösung drohen wird, wird es übrigens morgen in der Color Line Arena voll werden. Beim wieder einmal vielleicht letzten Auftritt der Helden meiner frühen Adoleszenz. ROBERT MATTHIES
Fr, 15. 2., 20 Uhr, Color Line Arena, Sylvesterallee 7