Warnschuss für den Bildungsminister

Christian Wulff spielt Bäumchen-Wechsel-Dich: Die Ressortschefs Bernd Busemann (Kultus) und Elisabeth Heister-Neumann (Justiz) tauschen die Posten. Weitere Privatisierungen kommen. FDP ringt der CDU Zugeständnisse bei Innenpolitik ab

Noch ist in der niedersächsischen Politik ein Chefposten frei: Am kommenden Dienstag will die CDU-Fraktion den neuen Landtagspräsidenten wählen: Im Gespräch ist der CDU-Wirtschaftsexperte Hermann Dinkla. Am 25. Februar wollen CDU und FDP den Koalitionsvertrag unterzeichnen, davor werden kleine Parteitage die Pläne für die nächsten fünf Regierungsjahre absegnen. Offenbar vom Hickhack um den Hessen Roland Koch profitieren konnte Christian Wulff: Der Ministerpräsident ist nach einer aktuellen forsa-Umfrage der Aufsteiger des Monats. Wulff legte fünf Punkte zu und liegt nun nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf Platz drei der Rangliste der beliebtesten Spitzenpolitiker.  KSC

VON KAI SCHÖNEBERG

„Never change a winning team“, das sagte Christian Wulff, als er am Donnerstag in Hannover die Zwischenergebnisse der Koalitionsverhandlungen von FDP und CDU in Niedersachsen vorstellte. Alle Minister sollen in der Landesregierung bleiben, allerdings tauschen zwei CDU-Ressortchefs ihre Zuständigkeiten: Bernd Busemann (Kultus) wird Chef im Justizministerium, dessen bisherige Amtsinhaberin Elisabeth Heister-Neumann neue Bildungsministerin.

Von der Rotation erhoffe er sich „wichtige Impulse“ für das neue Kabinett, sagte der CDU-Ministerpräsident. Heister-Neumann hält er für qualifiziert, weil sie elf Jahre lang als Stadtdirektorin in Helmstedt arbeitete. Das werde ihr helfen, die Schulen zu einem „gemeinsamen Anliegen von Land und Kommunen“ zu machen, so Wulff. Zudem könne sie auf dem neuen Posten „vielleicht einige Erfahrungen“ aus dem „Bereich der Jugendgewalt“ einbringen.

Neue Anstöße geben soll Heister-Neumann, die bei der Landtagswahl am 27. Januar ihren Wahlkreis Salzgitter verloren hatte, aber offenbar nicht: In der kommenden Legislatur solle „eine gewisse Ruhe an den Schulen einkehren“, sagte Wulff. Busemann hatte sich mit seinem Reformeifer in den vergangenen Jahren mit Eltern und Lehrern überworfen, derzeit stöhnen viele Schüler wegen der Verkürzung der Abiturzeit auf zwölf Jahre. Bis zuletzt hatte sich Busemann dagegen gesträubt, auf den Posten des Landtagspräsidenten abgeschoben zu werden. Innerhalb der CDU wurde die nun geplante Abschiebung des Emsländers auf den Posten des Justizministers als „Warnschuss“ für Busemann gewertet.

Der frühere Justizpolitiker muss nun die Patzer seiner Vorgängerin ausbügeln: Richter, Staats- und Rechtsanwälte laufen Sturm gegen das neue Justizvollzugsgesetz, weil die Verschiebung von Zuständigkeiten einige Gerichte überlastet. Das Oberlandesgericht Oldenburg hält das Gesetz zum Teil gar für verfassungswidrig und legte es zur Prüfung dem Bundesverfassungsgericht vor.

Mit der Ämterrochade hat Wulff für SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner „Not gegen Elend“, ausgetauscht: Die „Versager von gestern“ sollten „die Gestalter von morgen“ werden. Die Minister sollten „gegenseitig aus der Schusslinie“ genommen werden, kritisierte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Dass die FDP-Oldtimer Walter Hirche (67, Wirtschaft) und Hans-Heinrich Sander (62, Umwelt) im Amt bleiben sollen, zeuge von „Konfliktschwäche“: Für Wulff zählten „bei der Postenvergabe nicht Qualität sondern Opportunität“. „Mäßig ambitioniert“, fand Wenzel auch den Koalitionsvertrag, dessen Eckpfeiler gestern ebenfalls präsentiert wurden. Für Jüttner zeichnen sich „weitere Jahre des Stillstandes“ ab.

Schulen: Trotz sinkender Schülerzahlen soll die Zahl der Lehrerstellen stabil bleiben. Das Neugründungsverbot für Gesamtschulen kann in Regionen gelockert werden, wo es Regelschulen gibt. Eine „Schulleiterakademie“ soll Rektoren fit machen für die eigenverantwortliche Schule.

Kinder: Wie in Hamburg sollen Eltern künftig mit Betreuungs-Gutscheinen selbst entscheiden können, ob ihre Kleinen in Kindergärten, Krippen oder von Tagesmüttern betreut werden. Bis 2013 sollen alle drei Kita-Jahre gratis sein.

Hochschulen: Ehrenamtlich tätige Studenten sollen weniger Studienbeiträge zahlen. Die Universitäten sollen in einem Korridor von 0 bis 500 Euro selbst entscheiden, in welcher Höhe sie die Gebühren erheben.

Innenpolitik: Die FDP setzte Zugangserleichterungen für die Härtefallkommission durch. Flüchtlinge sollen hier auch angehört werden können, wenn ihre Familienmitglieder straffällig geworden sind. Statt mit einer Zweidrittelmehrheit soll mit einfacher Mehrheit entschieden werden können. Von der CDU gewünschte Onlineüberwachung und verdachtsunabhängige Telefonüberwachung wird es nicht geben. Die Landesregierung setzt sich nicht für den Einsatz der Bundeswehr im Inland ein.

Wirtschaft: Das Land behält die Anteile an VW und der Salzgitter AG, macht aber den Weg frei für den Verkauf von Anteilen von Norddeutscher Landesbank, Messe und Flughafen in Hannover. Hegdefonds sollen nicht zum Zug kommen. Die Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie den Sparkassen gehörende Nord/LB behält ihren öffentlich-rechtlichen Charakter.

Finanzen: Keine neuen Schulden mehr ab 2010, danach ein Verschuldungsverbot des Landes.