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Archiv-Artikel

Schnörkel Loos

Modernisierung des Lebens und Denkens: In seinem Architekturfilm „Loos ornamental“ (Forum) blickt Heinz Emigholz nüchtern auf Gebäude des Architekten Adolf Loos in ihrem heutigen Zustand

Emigholz’ Film dokumentiert, wie sehr Loos sich gegen den Zeitgeist stemmte

VON DIETMAR KAMMERER

Als vor einigen Jahren die ersten Starbucks-Filialen in der Wiener Altstadt ihre Pforten öffneten, war für kurze Zeit die Aufregung groß: Niedergang der weltberühmten Kaffeehauskultur! Invasion der Systemgastronomie! Übersehen wurde dabei freilich, dass das Erfolgsrezept des US-Kaffeebrauers gerade in der Kopie des Wiener Standards begründet liegt: frisch gebrühter Kaffee statt gefriergetrockneter Plörre, gemütliche Sessellandschaften statt Schnellimbissatmosphäre. Übersehen wurde auch, dass die amerikanische Ausgehkultur bereits neunzig Jahre zuvor im Ersten Bezirk Fuß gefasst hatte: in Gestalt der „American Bar“, entworfen 1908 vom Wiener Architekten Adolf Loos (1870–1933).

Um die Jahrhundertwende war Loos, der zuvor drei Jahre in den USA verbracht hatte, einer der streitlustigsten Verfechter einer Amerikanisierung, sprich: Modernisierung der Lebens- und Denkverhältnisse in seinem Heimatland, das immer noch in den Seligkeiten der K.u.k-Monarchie schwelgte. Der Künstler und Filmemacher Heinz Emigholz hat in „Loos ornamental“ 27 Bauwerke, Innenausstattungen, Ladengeschäfte und Denkmäler des Architekten in ihrem heutigen Zustand porträtiert, wieder im nüchternen Gestus der Präsentation, die er in seinem umfassenden Zyklus „Photographie und jenseits“ mittlerweile zur Perfektion entwickelt hat: Jedes Bauwerk wird mit einem Zwischentitel angekündigt, dann folgt eine Serie statischer, unkommentierter Ansichten.

Mit „Loos ornamental“ schließt Emigholz gewissermaßen rückwärtsgehend an seinen Film „Schindlers Häuser“ an, der Wohnhäuser des 1914 in die USA emigrierten Loos-Schülers Rudolf Schindler in den Mittelpunkt stellte. Wie Schindler war auch Loos innerhalb der dominanten Strömungen seiner Zeit ein Außenseiter. Loos’ Antipathie gegenüber Secession, Werkstätte und Jungem Wien, gegenüber der Forderung nach Vereinbarkeit von Kunst und Alltagswelt, kulminierten in mehreren Polemiken, die berühmteste: „Ornament und Verbrechen“, worin Loos den Fortschritt der Kultur mit dem Verschwinden des Ornamentalen aus dem Gebrauchsgegenstand gleichsetzte.

Freunde hat er sich damit nicht gemacht. Wie sehr Loos sich gegen den Zeitgeist stemmte, ist in Emigholz’ Film anschaulich dokumentiert: Da kontrastieren die Monumentalbrunnen der Wiener Hofburg mit der schmucklosen Front aus poliertem Marmor des Looshauses am Michaelerplatz, vom Volksmund bald als „Haus ohne Augenbrauen“ verdammt; da bricht vom Bildrand her die neobarocke Fassade eines Nachbarhauses gegen die strenge Kubusform eines Loos’schen Wohngebäudes. Dabei war Loos keineswegs einem minimalistischen Imperativ verfallen. Die Dinge hatten in erster Linie praktisch zu sein, und wenn ein Raum der Entspannung dienen sollte, standen darin auch gemütliche Sitzgruppen ums Kaminfeuer bereit.

Überhaupt wirken die Inneneinrichtungen, die Loos auch entwarf, gerade im Vergleich zur Klarheit seiner Bauten weniger verzierungresistent, als seine Streitschrift behauptet. In der Villa Müller in Prag (1930) ziert ein rundumlaufender Gipsfries mit figürlichen Darstellungen die Decke. Das bleibt jedoch Detail. Wenn Loos das Überflüssige verabscheute, dann vor allem, um die Qualitäten der Baustoffe selbst hervortreten zu lassen. Die Schlieren des Marmors, die Maserung des dunklen Holzes: Emigholz’ Kamera lässt in diesem Film die Schönheit des Materials – die für sich schon Ornament, Zierde genug ist – geradezu haptisch spürbar werden.

„Loos ornamental“. Regie: Heinz Emigholz. Österreich, Deutschland 2008, 72 Min.; Regie: 15. 2., 15 Uhr, Cinestar; 17. 2., 16.30 Uhr, Delphi