: Bund soll über Bahn entscheiden
Bahnvorstand weist Berichte zurück, dass die Privatisierungspläne schon ausgearbeitet seien. Gewerkschaft Transnet formuliert Bedingungen für eine mögliche Zustimmung
BERLIN taz ■ Das Dementi ist knapp, geradezu kurz angebunden: „Vermutungen, die Deutsche Bahn AG habe die Absicht, den Prozess der Teilprivatisierung am Parlament vorbeizusteuern, sind falsch und entbehren jeder Grundlage“, sagte Bahn-Vorstandsmitglied Otto Wiesheu am Donnerstag. Es gebe keine derartige Absicht. Herr des Verfahrens sei außerdem als Eigentümer des Unternehmens eindeutig der Bund.
Wiesheu reagierte damit auf Medienberichte, die Privatisierungspläne von Bahn und Bundesregierung seien deutlich weiter gediegen als angenommen – und das sogenannte Holdingmodell schon bis ins Detail ausgearbeitet. Demnach behielte der Bund das Netz, die Verkehrssparten der Bahn würden jedoch zu 49 Prozent veräußert.
Genau das befürchtet auch der Grünen-Bahnexperte Winfried Hermann. Nach der Hamburger Bürgerschaftswahl am 24. Februar könne es Schlag auf Schlag gehen, so Hermann zur taz. Er habe deshalb eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die innerhalb der nächsten zwei Wochen beantwortet werden muss. Die erste Frage: „Welches Modell der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG vertritt die Bundesregierung aktuell?“ Zudem will Hermann wissen, ob das Holdingmodell das bisherige Gesetzgebungsverfahren zur Teilprivatisierung der Bahn ersetzt und welches Ergebnis die Prüfung des Volksaktienmodells der SPD gebracht hat.
Laut Süddeutsche Zeitung prüft die Bahn bereits, ob die geplante Teilprivatisierung auch über einen Börsengang durchgeführt werden und zur Aufnahme der Bahn in den Deutschen Aktienindex (DAX) führen könne. Bundesregierung und Bahn wollten mit der Aussicht auf hohe Dividenden um private Investoren werben.
Die teilprivatisierte Personen- und Güterverkehrsholding könnte mehr als ein Drittel ihrer Gewinne ausschütten. Die privaten Investoren dürften so mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr an Dividende erwarten.
Ob das Holdingmodell eine Chance hat, hängt entscheidend von der SPD und den Bahngewerkschaften ab. Die SPD hatte auf ihrem Hamburger Parteitag im Herbst allen Modellen eine Absage erteilt, die privaten Investoren einen erheblichen Einfluss auf die Bahn gestatten würden. Nichts anderes allerdings bedeutet das Holdingmodell. Parteilinke und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), drohen bereits mit der Einberufung eines Sonderparteitags, sollte sich die SPD-Spitze auf das Holdingmodell einlassen. Immerhin ließen Koalitionskreise in der SZ lancieren, SPD-Chef Kurt Beck wolle seine Partei auf diesen Kurs bringen und stelle Milliardeninvestitionen in Netz, Bahnhöfe und neue Züge aus den Verkaufserlösen in Aussicht. Allerdings scheint schwer vorstellbar, dass SPD-Chef Beck beim hoch emotionalen Thema Bahn gegen die Stimmung in der eigenen Partei und der Bevölkerung handelt – täte er dies, verlöre die SPD-Spitze im kommenden Bundeswahlkampf wohl ihre Unterstützung. Ein gefundenes Fressen für Becks Konkurrenz innerhalb und außerhalb der Partei.
Die Bahngewerkschaft Transnet befürchtet eine „schleichende Zerschlagung“ der Bahn, sollte das Holdingmodell Realität werden. „Das wollen wir verhindern“, so Transnet-Sprecher Oliver Kaufhold zur taz. Anders als der Deutsche Gewerkschaftsbund lehnt Transnet die Teilprivatisierung nicht grundsätzlich ab, sondern stellt Bedingungen wie Beschäftigungssicherung und Erhalt des bahninternen Arbeitsmarkts. Dies könne gesetzlich, satzungsrechtlich oder vertraglich geregelt werden, so Kaufhold. Wenn ein Vertrag auf dem Tisch läge, der die Transnet-Bedingungen erfülle, „müssten wir wohl unterschreiben“. Andernfalls gehe man zu Plan B über – die Bahn bliebe komplett im Eigentum des Bundes.
RICHARD ROTHER