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Archiv-Artikel

Eine Menge Halbgares übers „Menschheitsvernichtungsgerät“

Der Publizist Jörg Friedrich erinnert an den Koreakrieg. Dabei verlässt er sich lieber auf anekdotische Kriegsveteranen-Literatur als auf analytische Studien. Das Ergebnis ist leider entsprechend

Am Ende des Zweiten Weltkriegs gab es einerseits den Sieg der Alliierten über die nationalsozialistische Diktatur. Und andererseits ambivalente Folgen: Der stalinistischen Diktatur gelang es, sich durch einen Ring von Satellitenstaaten abzuschirmen. Letztlich zeigte sich, dass der „Friede“ von 1945 gar keiner war. Der Sachbuchautor Jörg Friedrich beschäftigt sich dementsprechend in seinem neuen Buch mit dem Krieg am Yalu 1950, den er als Stellvertreterkrieg im Nachgang der Neuordnung von 1945 interpretiert. Yalu ist der Name des Grenzflusses zwischen Korea und der chinesischen Mandschurei.

Eine der Hinterlassenschaften des Weltkrieges war die Atombombe. 1945 hatte sie Hiroschima und Nagasaki vernichtet und veränderte den Charakter möglicher Kriege. Zumindest so lange, wie das amerikanische Atomwaffenmonopol bestand, sicherte sie einen labilen Frieden, aber auch die US-Hegemonie. Als Stalin 1946 sein Einflussgebiet in Griechenland, in der Türkei und im Nordiran absichern wollte, spielten die westlichen Alliierten nicht mehr mit. Der Kalte Krieg begann. Präsident Harry S. Truman verkündete die Doktrin, wonach die USA weltweit „alle freien Völker“ gegen Versuche, Diktaturen zu errichten, unterstützen würden, notfalls mit dem Einsatz atomarer Waffen. Das war eine Kampfansage an den Kommunismus stalinscher Prägung, den Truman als „second way of life“ bezeichnete gegenüber dem ersten, amerikanischen.

Die erste Blockkonfrontation begann mit der Blockade Berlins durch sowjetische Truppen 1948. Das war, wie Friedrich schreibt, das unblutige Vorspiel zum brutalen Krieg in Korea. Nach dem ersten Atomwaffentest der Sowjetunion am 29. August 1949 begann das atomare Wettrüsten zwischen den Supermächten. Nach der Niederlage und Vertreibung Japans vom asiatischen Festland hatten sich die USA und Stalin Korea 1945 geteilt. Allerdings widersetzte sich der Norden, wo dank Stalin Kim Il Sung regierte, 1947 gegen die von der UNO angesetzten freien Wahlen. Stalin wollte für die Aufrüstung Zeit gewinnen und unterstützte deshalb Kim Il Sung bei dessen Plan, im Juni 1950 den Süden Koreas anzugreifen. Der UNO-Sicherheitsrat beschloss daraufhin eine Intervention, die zunächst der US-General Douglas MacArthur kommandierte. So begann der drei Jahre lang andauernde, äußerst brutale Krieg um die Halbinsel.

Bis fast an diese Grenze stießen die Truppen MacArthurs Ende 1950 vor. Damit wurde der Konflikt mehr als eine lokale Angelegenheit: Jetzt drohte eine Konfrontation zwischen den USA, China und der Sowjetunion. Mit enormer Hilfe an militärischem Material aus der Sowjetunion mobilisierte Mao mehr als eine Million an chinesischen „Volksfreiwilligen“ zum Kampf gegen den „imperialistischen Aggressor“. Die völlig unkonventionell agierende chinesische Armee brachte die UNO-Interventionstruppe unter amerikanischer Führung mehrmals an den Rand einer Niederlage.

Dazu kam es nicht, weil sowohl die USA wie die Sowjetunion alles taten, um eine atomare Konfrontation, also einen dritten Weltkrieg, zu vermeiden. Das Ergebnis des Krieges war niederschmetternd: Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea blieb am 38. Breitengrad, wo sie schon 1945 gezogen worden war. Die USA wahrten ihr Gesicht, China bezahlte einen hohen Blutzoll, denn Maos Bauernsoldaten waren es, die ihr Leben für den Testkrieg der beiden Giganten gaben. Die Sowjetunion finanzierte die chinesische Intervention und wahrte ihr Gesicht als „Neutraler“; und Nordkorea wurde buchstäblich in eine Wüste verwandelt.

Für viele ist der Koreakrieg weit weg. Insofern hätte Friedrichs Buch verdienstvoll sein können. Doch Friedrich möchte das Geschehen nicht darstellen und analysieren, sondern dramatisieren, den Schrecken poetisieren und die Fakten symbolisch aufladen. Er verziert das brutale Kriegsgeschehen mit Metaphern von zweifelhaftem ästhetischem Geschmack und frivolem Zynismus (der Luftkrieg als „Zerstörungskraft der himmlischen Scharen“, Napalm-Opfer als „Verfeuerte“).

Wichtige Bücher zu den Paradoxien des Krieges im Atomzeitalter wie Horst Afheldts „Wer zuerst schießt, stirbt zuletzt“ nennt Friedrich nicht, dekliniert dafür selbstverliebt Scheinalternativen und Halbgares über „Menschheitsvernichtungsgerät“ durch, ohne stringent zu erklären, was eine Atombombe von einer Haubitze unterscheidet. Politikern unterstellt er angeborene Mordlust, wo doch Churchill klar erkannte, dass „Sicherheit“ im Atomzeitalter „das verstockte Kind von Terror“ ist.

Das Buch nennt im Anhang viele neuere Studien, aber über weite Teile verlässt er sich lieber auf anekdotische Kriegsveteranen-Literatur und heroisierendes Soldatenlatein aus Blut und Sperma. Wozu sind derlei Kitsch- und Schreckgespenster gut? Zu gar nichts.

RUDOLF WALTHER

Jörg Friedrich: „Yalu. An den Ufern des dritten Weltkriegs“. Propyläen Verlag, Berlin 2007, 624 Seiten, 24,90 Euro