piwik no script img

Archiv-Artikel

Kunst, so unromantisch, wie es nur geht

Aus Demonstrations-Politlyrik und Warenwelt: Die Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst widmet Josephine Meckseper eine kleine, hochkonzentrierte Ausstellung – für die ansonsten regelmäßig bei internationalen Großausstellungen gezeigte gebürtige Norddeutsche eine Art Debüt

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Lilienthal ist der Ort, woher ökologisch bewusste Bremer Milch und Tannenbäume beziehen. Und Worpswede das Dorf, wo sie ihre romantische Ader ausleben. Josephine Meckseper ist 1964 in Lilienthal geboren und in Worpswede aufgewachsen. Ihre Kunst ist so unromantisch, wie Kunst nur sein kann. Und ihre ebenso feine wie stetige Dissonanz beziehen ihre Arbeiten aus dem Inbegriff des Urbanen: Meckseper „lives and works in New York“, heißt es im Merkblatt der Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK). Seit 1992, lässt sich ergänzen. Die GAK widmet ihr nun eine kleine, hochkonzentrierte Ausstellung unter dem schlichten wie ergreifenden Titel „Josephine Meckseper“.

In den USA werden Mecksepers Werke ziemlich häufig gezeigt, auch international bei den wichtigen Großausstellungen. Sie werden gefeiert: Der Kunstspekulant Saatchi hat kürzlich zwölf Arbeiten gekauft, da war das Hallo aber groß in der Presse! Nur dass sie das überhaupt nicht für das Großglück hält, hatte man so nicht gelesen: „Das ist schon problematisch“, sagt Meckseper, und wenn die Galerie sie gefragt hätte, wäre der Deal nicht zustandegekommen. Man könne nur nicht als Künstlerin „paranoid jeden Verkauf überwachen“, sagt sie. „Das sind halt die Schattenseiten des Kunstmarkts.“

In Deutschland sind sie dagegen selten, in Bremen waren sie bisher noch nie zu sehen. Norddeutsche Kunsthistoriker fragen deshalb lieber erstmal nach, ob sie nun amerikanisch Jo:ze-fi:n ausgesprochen sein will oder, viersilbig deutsch Jo-ze-phí-ne. Ihr ist beides recht.

Auch erkundigt sich die lokale Presse nach dem Vater. Stimmt ja, Friedrich Meckseper, den gibt es ja auch, die verschwommene Erinnerung an durchaus verstörende Radierungen, die gute Chancen haben, zu Unrecht vergessen worden zu sein. Klar, Friedrich Meckseper ist gebürtiger Bremer. Und er war ja schuld an Worpswede, wo er sich dann nie wohlgefühlt hat, heißt es, überall dieser grässliche norddeutsche Klinker. 1984 siedelte die Familie nach Berlin über, wo Josephine zwei Jahre später anfing, Kunst zu studieren.

Sie selbst hat Worpswede nicht als beengend erfahren, im Gegenteil, „fast wie eine utopische Welt, etwas Idyllisches“. Es war also „nicht der Drang aus dem Dorf“, der sie von Berlin nach Valencia, Kalifornien, geführt hat – und von dort nach New York. „Mittlerweile“, sagt sie, „könnte ich mir sogar vorstellen wieder auf dem Land zu leben.“ Norddeutschland? Na ja, das sei es dann aber doch nicht.

Dissonanz: das meint, musikalisch, das Zusammenklingen von Tönen, die auf unterschiedliche Tonarten verweisen. Der eine Grundton bei Meckseper heißt: Warenwelt. Der andere: politisches Engagement. Mit 14, so lautet eine der Josephine-Erzählungen, habe sie sich von Worpswede nach Brokdorf aufgemacht. Zum Demonstrieren. Zum ersten Mal. In den USA geht sie zu Anti-Kriegs-Kundgebungen, und auch dieses Foto von dem brennenden Einkaufswagen vorm Berliner Palast der Republik, mit Polizisten in schwerer Montur … das sieht sehr nach revolutionärem 1. Mai aus. Und sie wird es nicht als Touristin geschossen haben.

Das Foto bringt es schön auf den Punkt, vielleicht sogar schon zu eindeutig. Es ist jetzt nicht in Bremen zu sehen. Aber Schilder und Transparente spielen fast immer eine Hauptrolle. Rücksichtslos fügt Meckseper sie mit Symbolen des Konsums zusammen. Da ist zum Beispiel das – ähem: Hauptwerk? „Nein, ich sehe die Arbeiten demokratisch gleichberechtigt.“ Also gut: Der Blickfang der GAK-Schau ist die Installation „G4-Summit“: Vier weiße, kopflose Schaufensterpuppen auf glänzend schwarzem Sockel, vor einer glänzend schwarzen Wand. Sie tragen „Screw Bush“-, „War is Terror“-, „Just Say No“-Panels, große Schrift auf weißem Grund, die hinten rechts ein rotes Schild: „Not in My Name“ – und alle vier Blue Jeans, auf Kniehöhe. Denunziert das den Konsum? Oder die Aussagen? Oder die Konsumierbarkeit der Aussagen?

Es ist kein Zufall, dass der schwarzlackierte Grund so glatt ist, dass er spiegelt: Für ihren Teil-Reprint des Quelle-Katalogs von 1976 – in Schaufenstern im Tunnel vor der GAK – hat die Künstlerin Spiegelfolie statt Hochglanzpapier benutzt. Neben ihre großen Antimode-Fotografien hängt sie Leinwände im identischen Format mit Gitternetzen in Öl gemalt: keine Mondrian-Zitate, sondern vergrößerte Layoutvorgaben für Illustrierten-Anzeigen. Seiten-Spiegel nennt man die auch.

Die meisten der in ihren Werken erscheinenden Transparente, sagt Meckseper, hat sie selbst getragen, „es sind Relikte“. Was mit ihnen geschieht, ob ihre Botschaften erhalten bleiben oder für austauschbar gehalten werden – das überlässt sie den Beobachtern. Und die spiegeln sich in ihrer Meinung immer selbst.

Josephine Meckseper – Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Bremen. Bis 4. Mai