Lehrer lässt ungestraft Nazilied singen

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg stellte das Verfahren gegen einen Delmenhorster Lehrer ein, der im Musikunterricht Hitler hochleben ließ. Begründung: Das Klassenzimmer sei kein öffentlicher Raum

Ein niedersächsischer Lehrer hat seine Schüler im Unterricht Naziliedgut singen lassen. Strafrechtliche Konsequenzen muss der Pädagoge offenbar aber nicht befürchten: Die Staatsanwaltschaft Oldenburg stellte das Ermittlungsverfahren gegen ihn jetzt ein.

Im Musikunterricht forderte Lehrer B. am Willms-Gymnasiums in Delmenhorst eine 10. Klasse auf zu singen: „Vorwärts, vorwärts. Unsere Fahne flattert uns voran“, und: „Wir marschieren für Hitler. Durch Nacht und durch Not“. Dazu sollten die Schüler den Hitlergruß zeigen.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Oldenburg hat B. damit jedoch keine Straftat begangen. Die Ermittlungen wurden eingestellt, erklärte Staatsanwalt Rainer du Mesnil de Rochemont. Zur Begründung hieß es, die Schulklasse sei kein öffentlicher Raum, denn es sei keine „nicht übersehbare Zahl von Personen betroffen“ gewesen. Dann erst wäre der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

In der Landesschulbehörde war man gestern über die Einstellung des Verfahrens überrascht. „Die Akten haben wir noch nicht. Wir schauen uns das aber sehr genau an“, sagt Alexandra Mosbach, stellvertretende Pressesprecherin der niedersächsischen Landesschulbehörde. Die Frage des nichtöffentlichen Raums „Schulklasse“ ist strittig. Gerhard Bücker vom Landespräventionsrat Niedersachsen will sich dazu noch nicht äußern, sondern zunächst die Rechtslage prüfen. „Staatsanwaltschaften bewerten das sehr unterschiedlich“, sagt Cornelia Habisch, Geschäftsführerin des „Netzwerks für Demokratie und Toleranz in Sachsen-Anhalt“. Sie betont, wäre die Schule kein „öffentlicher“ Raum, könnte dort jeder jedes Symbol des Nationalsozialismus aufhängen.

Beschwerden von Eltern hatten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgelöst. Gleich nach dem Vorfall Anfang Februar hatten auch Schüler sich bei der Schulleitung beschwert. In einem Brief informierte Schuldirektor Burkhard Leimbach inzwischen Schüler und Eltern, dass der Lehrer „wegen seines Fehlverhaltens“ nicht mehr an seine Schule zurückkehren werde.

Seit rund eineinhalb Jahre ist B., der Beamter in der Probezeit ist, an dem Gymnasium. Inzwischen hat er sich krank gemeldet. Am Dienstag fand ein Gespräch zwischen Schulleitung, Landesschulbehörde und Lehrer statt, sagt Mosbach. B. habe darin gesagt, er habe das Lied nur zu „Demonstrationszwecken“ singen lassen.

Nun wartet die Behörde auf ein Gutachten eines Amtsarztes, der B.s Dienstfähigkeit untersucht. Falls B. dienstfähig geschrieben werde, so Mosbach, könne man ihn nicht entlassen. Für diesen Fall steht eine Versetzung an. Eine „enge Begleitung“ des Lehrers durch die Behörden würde dann aber stattfinden, sagt Mosbach: „Wir nehmen das sehr ernst.“ Andreas Speit