: Jenseits der Räucherstäbchen
Am Spittelmarkt eröffnet das größte vietnamesische Geschäftshaus außerhalb Vietnams. Es will Markenprodukte statt Massenware anbieten. Initiiert wurde das Projekt von Berliner Vietnamesen
VON MARINA MAI
Von außen ist es noch Baustelle. Innen ist das ehemalige Kinderkaufhaus am Spittelmarkt schon neu hergerichtet. Ein intensiver Geruch liegt in der Luft. Auf einem Hausaltar wurden den Hausgeistern Obst und Räucherstäbchen dargereicht. Am 5. März wird hier feierlich das größte vietnamesische Geschäftshaus außerhalb Vietnams eröffnet – das „Viethaus“ auf 4.700 Quadratmetern.
Hung Manh Le ist dessen Kulturmanager, derzeit hat er alle Hände voll zu tun. Der ausgebildete Musiker und Journalist bereitet die Eröffnungszeremonie vor. Das vietnamesische Nationalensemble wird eigens eingeflogen, um Musik und Tänze aus Südostasien zu zeigen. Models werden Trachten aus verschiedenen Regionen Vietnams präsentieren. „Und Migranten aus Deutschland zeigen Drachentanz und Kung Fu“, verrät der Endvierziger.
In der Leipziger Straße, seitlich des Hauses, wird es in der Eröffnungswoche einen asiatischen Markt geben mit Lackmalerei, Fotografie und Kunsthandwerk. Berliner können dort auch Einblick in fernöstliche Kochtöpfe nehmen. „Und im Haus zeigen wir Filme aus Vietnam mit deutscher oder englischer Übersetzung“, ergänzt Thomas Grätsch, der stellvertretende Geschäftsführer des Hauses. In Zukunft will man auch Kunstausstellungen mit vietnamesischen Künstlern organisieren und im Wellness- und Spa-Bereich fernöstliche Massage- und Entspannungstechniken anbieten.
Kultur für Berliner
Hung Manh Le ist es wichtig, dass sich die Kulturangebote in erster Linie an ein deutsches Publikum richten und auch so konzipiert sind. „Hochwertige Unterhaltung mit populären Künstlern aus Vietnam für hier lebende Vietnamesen sind nur die zweite Schiene.“ Solche Veranstaltungen gab es bereits hinter Baugerüsten, etwa das vietnamesische Neujahrsfest Anfang Februar. Trotz des stolzen Eintrittspreises von 40 Euro waren alle 500 Karten ausverkauft.
Von einem auswärtigen Kulturinstitut unterscheidet Viethaus vor allem eines: Es wird kommerziell betrieben. Zuschüsse aus dem Hanoier Staatshaushalt, wie sie etwa das deutsche Goethe-Institut für seine auswärtige Kulturarbeit erhält, fließen nicht. Dennoch: Errichtet wird das Viethaus zum großen Teil mit vietnamesischen Staatsgeldern. Hauptaktionär ist die Southern Airports Service Company, eine ausgegliederte Gesellschaft der staatlichen vietnamesischen Fluggesellschaft Vietnam Airlines. Das ist ein Novum, denn normalerweise erlaubt Vietnam seinen Firmen keine Investitionen im Ausland.
Aber auch als vietnamesisches Staatsunternehmen versteht sich Viethaus nicht. Die Initiative ist privatwirtschaftlich und geht von hier lebenden Migranten aus wie Hung Manh Le. Der Vietnamese ist Sprecher bei Radio Multikulti und Musiker und Manager des Lotus-Ensembles, das traditionelle vietnamesische Musik spielt. Er will seine guten Kontakte zu Künstlern und Geschäftsleuten in Vietnam für das Viethaus nutzen.
Um auf Dauer bestehen zu können, setzt das Geschäftshaus auf Qualität. Thomas Grätsch: „Wir wollen echte vietnamesische Marken von Berlin aus in Europa bekannt machen und hochwertige Produkte anbieten. Da heben wir uns ganz bewusst von billiger Massenware.“ Unter Vertrag sind Porzellan und Keramik aus Vietnam, Rattanmöbel, Markenkaffee und -tee.
Die Geschäfte laufen auch in die umgekehrte Richtung. Für deutsche Firmen, die in Vietnam investieren wollen, erstellen Mitarbeiter von Viethaus Marktanalysen. Oder sie bahnen Geschäftskontakte für den Export nach Vietnam an, etwa von Walzen für die Papierherstellung oder für Schleifmaschinen.
Weiterer Programmpunkt im Viethaus sind Infoabende über das Tourismusland Vietnam. Im Erdgeschoss tragen zwei vietnamesische Restaurants dazu bei, dass die in den letzten Jahren etwas verödete Leipziger Straße wieder belebt wird. In den Restaurants sollen zwei Spitzenköche aus Hanoi arbeiten.
Marktlücke entdeckt
Und ganz nebenbei hat das Viethaus eine Marktlücke entdeckt. Preiswerte Konferenzräume in allen Größen und mit allen technischen Raffinessen, wie sie am Spittelmarkt vorhanden sind, sind in der Berliner Innenstadt offenbar rar. Da haben bisher nicht nur Vietnamfans Interesse angemeldet. „SPD, die Linke und mehrere Berufsverbände haben bereits Versammlungsräume angefragt“, sagt Thomas Grätsch.