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Archiv-Artikel

Adíos Comandante

Dass seine Ära enden würde, war klar. Nun gibt Fidel Castro nach über 40 Jahren an der Macht seinen Rückzug selbst bekannt

VON KNUT HENKEL

„Ich werde die Ämter des Staatsratspräsidenten und des Oberkommandierenden weder anstreben noch akzeptieren.“ Mit diesem Satz hat Fidel Castro am späten Montagnachmittag kubanischer Zeit seinen Rücktritt bekannt gegeben. Das Schreiben, das wenige Stunden später in der Online-Ausgabe der Parteizeitung Granma erschien, besiegelt, woran innerhalb und außerhalb Kubas nur noch wenig Zweifel herrschte – das Ende einer Ära.

Lange hatte sich Fidel Castro Zeit gelassen, seinen Entschluss, der schon vor Monaten gefallen sein dürfte, öffentlich zu machen. Scheibchenweise hatte er bislang seinen Abschied von der Macht bekannt gegeben, um so „das Volk psychologisch und politisch auf meine Abwesenheit nach so vielen Jahren des Kampfes vorzubereiten“. Spätestens seit Mitte Dezember aber war klar, dass der 81-Jährige nie wieder ein zentrales politisches Amt bekleiden würde.

Damals, am 17. Dezember, schrieb er in einem Brief, es sei seine Pflicht, sich weder an Ämter zu klammern noch dem Aufstieg Jüngerer im Wege zu stehen. Zehn Tage später entschuldigte sich Castro – ganz Elder Statesman – bei den Abgeordneten des kubanischen Parlaments dafür, sich zu lange an die Macht geklammert zu haben. Eine interessante Erkenntnis nach über vierzig Jahren an der Spitze eines Landes, dass der Berufsrevolutionär geprägt hat wie kaum ein anderer.

Könnte er, wie er wollte, wäre mit Fidel wohl auch weiter zu rechnen. Doch dafür fehlt ihm schlicht die Kraft, wie er den Kubanern Mitte Januar mitteilte. Da standen in Kuba die Wahlen zum Nationalparlament an. Aber der Comandante war nicht in der Lage, sich seinen WählerInnen im Wahlkreis Santiago de Cuba zu präsentieren. Anderthalb Jahre nach seiner schweren Darmoperation vom Juli 2006 hat sich der bärtige Revolutionsführer noch immer nicht ausreichend erholt.

Und so wird am 24. Februar, wenn das Parlament erstmals zusammentritt, ein anderer zum obersten Repräsentanten der kubanischen Revolution gewählt. Aller Voraussicht nach ist das Raúl Castro, der seit Ende Juli 2006 das Land an Stelle seines älteren Bruders gemeinsam mit einer Handvoll verdienter Parteikader regiert. Ein Modell, das in der Übergangsphase von Castro zu Castro gut funktioniert hat, das aber sicher keinen Bestand haben wird. Denn auch der jüngere der Brüder ist mit 76 Jahren kein revolutionärer Jungspund mehr.

Nachwuchspolitiker finden sich – mit Ausnahme von Außenminister Felipe Pérez, einem ideologischen Hardliner – eher in der zweiten Linie der politischen Hierarchie Kubas. Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz hat „Er“, wie Fidel Castro in Kuba genannt wird, dem politischen Nachwuchs nicht gerade die Tür zur Macht aufgehalten.

Und so steht nun der Organisator der kubanischen Revolution, eben Armeechef Raúl Castro, vor der Herausforderung, die Revolution zu modernisieren. Pläne dafür liegen längst vor, denn anders als sein auf Zentralisierung und Kontrolle setzender Bruder, ist Raúl ein Anhänger von Flexibilität. Seit über einem Jahr wird an Konzepten zur Reform der Landwirtschaft gearbeitet. Der kubanische Agronom Armando Nova ist sich sicher, dass man an der Eigentumsfrage nicht mehr vorbeikommt: „Warum“, fragt Nova provokant, „soll jemand in das Land investieren, wenn es ihm nicht gehört?“ Er traut Raúl zu, echte Reformen durchzusetzen und die drei drängenden Probleme der Bevölkerung anzupacken: die Nahrungsmittelknappheit, die katastrophale Wohnungssituation und den öffentlichen Nahverkehr.

Die Chancen dafür stehen gut. Zum einen steigt die Unzufriedenheit in Kuba, zum anderen sind Querschläge von außen derzeit kaum zu befürchten. Selbst die USA haben in den letzten Monaten kaum ein Wort zu Kuba verloren. Ein Thema, mit dem sich der oberste „Soldat der Ideen“, eben Genosse Fidel Castro, auch mal in seiner Granma-Kolumne beschäftigen könnte.