: „SPD und Linke gehen nicht zusammen“
Im taz-Interview zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am Sonntag: Der SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann über Umverteilung nach unten, gebührenfreie Bildung, Klimaschutz und Anti-Kommunismus. Sein Wunschpartner: Die Grünen
MICHAEL NAUMANN, 66, war schon Journalist, Hochschullehrer, Verlagsleiter und Kulturstaatsminister, ist beurlaubter Herausgeber der Zeit und will künftig Hamburg regieren.
INTERVIEW MARCO CARINI UND SVEN-MICHAEL VEIT
taz: Herr Naumann, Sie haben im Wahlkampf viele Wohltaten versprochen, falls Sie Bürgermeister werden sollten. Wie wollen Sie die finanzieren?
Michael Naumann: Wer fragt das eigentlich mal Ole von Beust, den Verschleuderer öffentlichen Vermögens? Wir wollen die Gebühren in der Vorschule und der Kita wieder abschaffen sowie die Studiengebühren für das Erststudium. Und die Lernmittelfreiheit werden wir wieder einführen. Das macht über vier Jahre etwa 250 Millionen Euro. Dazu muss es Umschichtungen im Haushalt geben. Ich habe keinen Zweifel, dass dies in einem Etat von rund 10 Milliarden Euro jährlich zu machen sein wird. Zumal selbst der jetzige Senat von Steuermehreinnahmen in Höhe von 450 Millionen Euro in diesem Jahr ausgeht …
Das Geld ist aber bereits verplant …
Ja, aber wir können andere Prioritäten setzen und werden dies auch tun. Die CDU hat viel Geld in Prestigeprojekten versenkt. Allein für die U 4 zahlt die Stadt etwa 170 Millionen Euro dazu. Mit dem Geld ließe sich etwas Vernünftiges anfangen.
Umverteilen heißt, hier etwas kürzen, um es dort auszugeben. Wem wollen Sie Geld wegnehmen?
Gehen Sie mal davon aus, dass wir nicht den Schwachen und Armen etwas wegnehmen wollen, im Gegenteil. Wie es präzise aussehen wird, können wir aber erst nach einem Kassensturz sagen.
Die Farbenlehre: Sie wollen Bürgermeister einer rot-grünen Koalition werden …
Das ist auch die favorisierte Regierung der BürgerInnen, wie eine Umfrage vorige Woche ergeben hat. Der Trend ist rot-grün.
Und der Abstand zur CDU ist geringer geworden. Vor vier Jahren lag er bei 17 Prozent, jetzt bei nur noch etwa 5 Prozent.
Mein Ziel ist, dass die SPD stärkste Fraktion in der Bürgerschaft wird. Dazu deutlich zweistellige Grüne – dann ist der Regierungswechsel da.
Zurzeit ist es aber eher ein Nullsummenspiel. Die SPD legt zu, die GAL verliert. Rot-Grün kommt seit einem Jahr immer auf etwa 44 Prozent.
Ich fürchte, die Grünen haben an die Linkspartei verloren. Deshalb weise ich gern noch mal darauf hin: Jede Stimme für die Linke ist eine Stimme für die CDU und gegen den Regierungswechsel.
Ein Bündnis links von der Union wird es nicht geben?
Die Linke hat das ja von vornherein ausgeschlossen. Zudem hat sie Personal, das nicht koalitionsfähig ist, vor allem die zahlreichen Alt-Kommunisten von der DKP. Deshalb wird auch andersherum kein Schuh draus: Die SPD und die Linkspartei gehen nicht zusammen.
Klingt nach plattem Anti-Kommunismus à la Bild …
Ich verstelle mich nicht. Ich bin Anti-Kommunist, aber kein blinder, sondern ein historisch bewusster. Die taz wäre in der DDR doch auch verboten worden.
Sollte es hessische Verhältnisse in Hamburg geben, kommt dann auch eine rot-grün-gelbe Ampel in Frage?
Die FDP ist eine reine Karrieristenpartei. Wenn die Situation verworren wäre, müssten wir sicher schweren Herzens auch mit der FDP reden. Aber wenn die an ihrer Absicht festhalten, die SAGA [die städtische Wohnungsbaugesellschaft, d.Red.] zu verkaufen, ist das Gespräch schnell wieder vorbei.
Dann bliebe nur große Koalition oder Schwarz-Grün.
Darauf meine Standardantwort: Die bürgerliche Presse, und dazu zähle ich auch die taz, wird die Verhältnisse abwarten müssen.
In der Schulpolitik wackelt die SPD weiterhin zwischen der grünen Schule für alle und dem Zwei-Säulen-Modell der CDU.
Ganz und gar nicht. Wir wollen die Haupt- und Realschulen zu Stadtteilschulen zusammenfassen, die in 13 Jahren auch zum Abitur führen. Ich bin gewiss, dass sie mindestens so attraktiv sein werden wie die Gymnasien mit dem 12-jährigen Abitur. Dort werden 50 Prozent aller SchülerInnen angemeldet, aber nur 27 Prozent erreichen das Abitur. Das ist kein Leistungsnachweis für diese Schulform, das ist grotesk. Wir werden das ändern.
Sie werfen Bürgermeister Ole von Beust vor, keine oder die falsche Sozialpolitik zu machen. Was wollen Sie besser machen und wie?
Die 11.000 Ein-Euro-Jobs ersetzen durch ein System, das zu höheren Qualifikationen und mehr sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen führt. Zweitens werden wir ein Arbeitsmarktprogramm auflegen, zum Teil finanziert mit Bundesmitteln, die der CDU-Senat einfach nicht abruft, obwohl sie zur Verfügung stehen. Zudem wollen wir Firmen belohnen, die ausbilden.
Das kostet aber wieder reichlich Geld.
Fast 15.000 Jugendliche unter 25 stecken in Fortbildungen und Qualifizierungen in der Warteschleife. Das kostet viele Millionen Euro pro Jahr. Es wäre sinnvoller, diese als Bonus für Ausbildungen in Betrieben einzusetzen.
Sie wollen kein Kohlekraftwerk in Moorburg, aber wieder eine eigenständige Umweltbehörde. Bleibt es dabei?
Ja. Umwelt- und Klimaschutz ist zu wichtig, als dass er so nebenbei abgehandelt werden dürfte wie unter dem jetzigen Senat. Wir werden mit Vattenfall über Moorburg erneut verhandeln mit dem Ziel, dass das Kraftwerk nicht oder kleiner gebaut wird. Zweitens setzen wir, wie die GAL, auf Energiesparen, Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien. Und selbstverständlich bleibt es dabei, dass die Laufzeiten von Atomkraftwerken nicht verlängert werden.
Welches sind die drei wichtigsten und drängendsten Punkte, um die sich ein Bürgermeister Michael Naumann kümmern würde?
Das erste ist, die Gebühren im Bildungssystem von der Kita bis zur Hochschule wieder zurück zu nehmen. Zweitens müssen die Schulen ausgebaut und fit gemacht werden. Und drittens muss das Arbeitsmarktprogramm auf den Weg gebracht werden.
Und was machen Sie, wenn Sie nicht Bürgermeister werden sollten?
Ich werde mein Mandat annehmen. Ich werde nicht aus der Politik ausscheiden, so wie es Herr von Beust für sich angekündigt hat. Aber bei dem Zustand seiner Partei kann ich ihn verstehen.
Morgen im Interview: Ole von Beust (CDU)