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Archiv-Artikel

Belgrad beruft serbische Amtsträger im Kosovo ab

Serbiens Politik im Kosovo bringt Kosovoserben keine Vorteile. Sie könnten vom Plan einer begrenzten Autonomie profitieren – doch Belgrad mauert

NOVO BRDO taz ■ Bei den Albanern im Kosovo kamen die Bilder von den brennenden Grenzstationen bei Zubin Potok und Leposavac gut an. „Jetzt müssen sie gegen die Nato kämpfen“, feixte ein Gast in einem Café in der Innenstadt. Denn kurz nach den Ausschreitungen, bei denen die Anlagen der von der UN errichteten Grenzstationen und einige Autos der Kosova-Polizei in Flammen aufgingen, kamen schon die gepanzerten Fahrzeuge der in Mitrovica stationierten französischen KFOR-Truppen. Sie sicherten das Gelände mit Natodraht.

Die Stationen blieben bis gestern geschlossen und sie werden das für Nichtserben in nächster Zukunft auch bleiben. Wer will schon durch die serbisch bewohnte Zone in Richtung Grenze fahren und möglicherweise mit Steinen beworfen werden? Die serbische Führung in Belgrad hat erreicht, was sie schon vor Tagen angekündigt hatte, auch wenn sie nach dem Willen der UN-Mission schon wieder am Mittwoch geöffnet werden. Die Aktion war eine Art Show mit ernstem Hintergrund. Sie war keineswegs spontan, sondern geplant und organisiert.

„Seit dem Wochenende haben sich die serbischen Angestellten unserer Gemeinde nicht mehr sehen lassen“, erklärt Bajrush Ymeri. Der Mann ist der populäre Bürgermeister der Gemeinde Novo Berde/Novo Brdo, die 40 Kilometer östlich der Hauptstadt Prishtina gelegen ist. Das Besondere an dieser Gemeinde ist, dass bisher hier Serben, Albaner und Roma friedlich zusammenlebten und eine gemeinsame Gemeinde bilden. Nach dem Plan des vormaligen UN-Kosovo-Vermittlers, des Finnen Martti Ahtisaari, sollte sie sogar zu einer serbischen Gemeinde erhoben werden. Der Bürgermeister ist zwar Albaner, doch der Gemeinderat ist jetzt noch zu gleichen Teilen von Serben und Albanern besetzt. Der serbische Polizeichef hat einen albanischen Stellvertreter, die Mehrheit der Polizisten sind Serben. Es gibt die serbische und die albanische Schule. Und amerikanische Soldaten. Die keine Vorkommnisse zu vermelden haben.

Außer dem vielleicht, dass die Serben seit der Unabhängigkeitserklärung sich aus den Institutionen der Gemeinde zurückgezogen haben. Da kam nämlich ein Regierungsvertreter aus Belgrad in den Ort und verlangte, die Gemeinde zu boykottieren. Er versprach, die Gehälter würden künftig von Belgrad bezahlt. Und er schwor die serbische Bevölkerung darauf ein, keinesfalls mit der EU-Mission zusammenzuarbeiten, die den Ahtisaari-Plan der UN für die Gemeindereform umsetzen soll. So berichtet es der Bürgermeister Bajrush Ymeri. Der wiederum war heimlich von früheren Mitarbeitern informiert worden.

Verständlich ist die Politik Belgrads für ihn nicht mehr. Denn wenn die Grenzen der Gemeinde neu gezogen würden, wie durch Ahtisaari geplant, könnten die Serben der Region eine mehrheitlich serbische Gemeinde bilden. Mehr noch, nach dem Plan entstünde eine Kette von serbischen Gemeinden von der serbischen Grenze bis Gracanica nahe Prishtina mit Novo Brdo in der Mitte.

Der UN-Plan also befördert eigentlich die ethnische Teilung des Landes und bevorzugt die Serben, die mit 5 bis 8 Prozent der Bevölkerung fast ein Drittel des Landes kontrollieren würden. Die albanische Führung hat dem UN-Plan zugestimmt. Aus übergeordneten politischen Interessen: um die diplomatische Anerkennung für das Kosovo zu erreichen. Belgrad aber lehnte den Plan ab. So entsteht die paradoxe Situation, dass der albanische Bürgermeister von Novo Brdo den Ahtisaari-Plan umsetzen will, der vorsieht, sich als Stadtoberhaupt abzuschaffen, während Belgrad der serbischen Bevölkerung der Region eine vorteilhafte Selbstverwaltung nimmt. ERICH RATHFELDER