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Archiv-Artikel

Datenschützer mit Steuersorgen

Es ist eine Ironie des Schicksals. Mit philosophischen Worten hatte Karl Michael Betzl bei seinem Amtsantritt als bayerischer Datenschützer vor Infosammlungen gewarnt: „In der Informationsgesellschaft tritt an die Stelle der vormals magischen Inbesitznahme das ganz banale Anlegen einer Datei.“ Und wenn das Wissen um den Namen eines Anderen schon Macht verleihe, fragte der Schwabe damals, welche Macht habe man erst mit den unendlichen Datenmengen, die heute über jeden Menschen gesammelt werden? Jetzt scheint Betzl genau über eine solche Datenmenge gestolpert zu sein.

Landtagspräsident Alois Glück (CSU) teilte gestern mit, Betzl habe ihn darüber informiert, „dass bei ihm zu Hause und in seinen Diensträumen am 19. Februar 2008 die Steuerfahndung war“. Deshalb lasse der Datenschutzbeauftragte in beiderseitigem Einvernehmen sein Amt bis auf Weiteres ruhen. Kollegen und Politiker jeder Couleur waren überrascht von der Nachricht, dass sich wohl auch der 60-jährige Schwabe auf der Liechtensteiner Steuer-DVD findet. „Uns hat es schwer beunruhigt, dass auch höchste bayerische Beamte verstrickt sein sollen“, erklärte die Grünen-Abgeordnete Christine Stahl, die Betzl aus dem Rechtsausschuss kennt und bei ihm keinen ungewöhnlich aufwendigen Lebenswandel beobachtet hat. Allerdings müsse abgewartet werden, was die laufenden Ermittlungen ergeben. „Wir hoffen, dass sich die Angelegenheit klärt und er weiterarbeitet“, so Stahl. Denn Betzl, der zuvor 14 Jahre Landtagsjustiziar war, habe sich von Beginn an „schwer ins Zeug gelegt“ für den Datenschutz.

„Er war bisher ein sehr guter Datenschützer, aber die Mitteilung ist für ihn und seine Dienststelle ein Super-GAU,“ sagt Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert. „Was ich als hochproblematisch ansehe, ist, dass die Ermittlungsbehörden auch in der Dienststelle eine Durchsuchung vorgenommen haben“, erklärte Weichert gegenüber der taz. „Die Unterlagen, die dort vorliegen, unterliegen höchster Geheimhaltung.“

Pikant ist der Fall auch wegen eine mögliche Verstrickung mit dem BND. Nach Medienberichten soll Betzls Frau unter dem Namen „Melanie Rengstorf“ für den Dienst arbeiten. Im Januar 2006 hatte die taz über eine interne Mail berichtet, in der eine BND-Referatsleiterin mit diesem Namen die Bespitzelung des Buchautors und BND-Kritikers Wilhelm Dietl („Bedingt Einsatzbereit“) beschreibt. Der BND hatte wiederum von einem anonymen Informanten aus Liechtensteiner Bankkreisen die DVD mit den Daten von deutschen Steuersündern erworben.

MAX HÄGLER