: Bierhauptstadt Bamberg
Zwischen starkem Bier und verspieltem Barock: Das bayrisch-fränkische Bamberg ist eine Domstadt mit gut erhaltenen mittelalterlichen Bauten und romantischem Flair. Und eine Hochburg der Brauer
Die verbriefte Geschichte der Bamberger Braukunst reicht in das Jahr 1039, als der Bamberger Domherr Ouldaricus verfügte, dass an seinem Todestag der Bevölkerung Freibier ausgeschenkt werden sollte. Facettenreich ist das Angebot: Von obergärigem Vollbier (Kaiserdom Privatbrauerei), Rauchbier (Brauerei Schlenkerla und Brauerei Spezial), Schwarzbier (Klosterbräu), Lagerbier (Brauerei Greifenklau) über Zwergla (Brauerei Fässla) bis hin zu den Klassikern Kellerbier (Maisel), Weißbier (Mahr’s Bräu) und Pils (Keesmann Bräu) – der Bierliebhaber bekommt über 60 verschiedene Biersorten angeboten. Im Brauereimuseum auf dem Michaelsberg erfährt der Besucher alles über Brautechniken und was man dazu braucht. Das Bamberger Touristenbüro bietet Bierschmecker-Touren an. www.bamberg.info, touristinfo@bamberg.info Eine weitere Führung zum Thema Bier kann über den Verein Bamberger Schleichwegla gebucht werden. Tel. (09 51) 87 11 61 Vorträge, Biercoaching und Erlebnisseminare für Gruppen gibt es beim Braumeister Johannes Schulters. Tel. (09 51) 9 37 03 49
VON EDITH KRESTA
Der Stammtisch lebt. Zumindest in Bamberg, der alten fränkischen Stadt an der Regnitz. Die urigen alten Gaststuben der noch bestehenden zehn Bamberger Privatbrauereien sind jedenfalls immer gut besucht. Auch jetzt im Februar, wo touristisch Sauregurkenzeit ist und das Rauchverbot in Gaststätten seit dem Jahreswechsel wirksam ist, stehen Biertrinker morgens, mittags, abends in der sogenannten Schwemme, der oftmals beheizten ehemaligen Toreinfahrt. Vom Tresen wird dort das Seidla, die Halbe Bier im Tonkrug, durch eine Luke nach außen gereicht. Oder sie treffen sich am Stammtisch, wo nicht wenige ihr eigenes „Stammkrügla“ deponiert haben, um zu diskutieren oder zu karteln. Das ist überall so: im Fässla, im Klosterbräu oder in der Mahrs Brauerei im Stadtteil Wunderburg. „Was is etzert, wist nuch aans?“, wird der Gast am Biertisch oft auf sehr direkte Art angesprochen. So bodenständig wie die Braukunst gibt sich oft auch der Bamberger.
„Am Biertisch sind alle gleich“, behauptet Stephan Michel junior, der die Geschäfte der Mahrs Brauerei gerade übernimmt. Und in der Tat scheint mann oder frau in der dämmrigen, niederen, überfüllten Gaststube mit Kachelofen, schmalen Biertischen und Bänken keine Berührungsängste zu kennen. Neuankömmlinge quetschen sich noch auf den letzten Restplatz und bestellen „a U“, ein Ungespundetes, das heißt ein naturtrübes, unfiltriertes Bier. „Unser Bier ist wie Frischmilch“, sagt Michel, „es lässt sich maximal sechs Wochen halten.“ Das macht dem rührigen Jungbrauer oftmals Probleme beim zunehmenden Handel mit den USA. „Die Amerikaner sind ganz verrückt nach unserem Bier.“ In Men’s Journal, einem amerikanischen Männermagazin, wurde letzten Sommer die Mahrs Brauerei zur besten Brauerei der Welt gekürt. Noch zwei weitere Brauereien in Bamberg wurden dort ausgezeichnet: das Schlenkerla und das Spezial. Denn der fitnessbeseelte, moderne Mann weiß: Das handwerklich gebraute Bier hat besonders viele Vitalstoffe wie Vitamine, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Aminosäuren und organische Säuren. Und der darin enthaltene Hopfen – mäßig konsumiert – beruhigt testosterongesteuerte Männer auf angenehme Weise.
Das bekannteste Bier Bambergs ist das dunkle Schlenkerla, ein kräftiges Rauchbier. „Ein handwerkliches Bier hat Ecken und Kanten“, sagt Matthias Trum, der Jungbrauer der Brauerei Heller. Drei Viertel seines Biers verkauft er vor Ort, den Rest in Deutschland und kleine Mengen weltweit. Trum hat Betriebswirtschaft studiert und seinen Braumeister in Weihenstephan gemacht. „Aus freier Entscheidung“, wie er betont, übernimmt er den wirtschaftlich attraktiven Familienbetrieb. „Wir produzieren zwar wesentlich aufwendiger und personalintensiver als die computergesteuerten Großbrauereien, aber unser aus Eichenholzfässern gezapftes Rauchbier ist längst eine unschlagbare Marke“, sagt er selbstbewusst. An der urigen Schlenkerla Bierstube mitten in der Innenstadt unterhalb des Doms kommt in der Tat kein Tourist vorbei, aber auch viele Einheimische sitzen dort in den alten Sälen des ehemaligen Dominikanerklosters. Oder sie stehen in der ehemaligen Toreinfahrt, der Schwemme, durch die früher die großen Fuhrwerke mit den Fässern fuhren, um das Jungbier zu den Lagerkellern im Berggebiet zu transportieren.
Die Brauerei Heller produziert das Schlenkerla heute noch auf dem Stephansberg. Dort und auf dem Kaulberg gibt es seit dem Mittelalter große unterirdische Stollen, in denen Putz- und Scheuersand abgebaut wurde. Vor Erfindung der Kühlung wurden sie dann zur Lagerung des Bieres benutzt, da sie die richtigen Temperaturen boten. Um diese in den Kellern auch sommers möglichst niedrig zu halten, wurden die Grundstücke mit Schatten spendenden Linden und Kastanien bepflanzt. Noch heute gehen die Bamberger sommers „auf den Keller“ in Biergärten wie die Wilde Rose auf dem Stephansberg.
Kein Wunder, dass Bamberg in internationalen englischsprachigen Reiseführern längst zu den Top Ten in Deutschland gehört. Doch die Stadt hat nicht nur die höchste Brauereidichte und Biervielfalt in Deutschland. Sie ist deutsches Kernland, deutscher Zuckerguss, der alle Klischees vereint: einen romantischen Altstadtkern, Würstchen und Knödel, Einheimische, die aussehen, als wären sie einem Gemälde Dürers entsprungen, gutes Brot aus selbst backenden Bäckereien. Und wer einmal einen Windbeutel im Klostercafé auf dem Michaelsberg bestellt hat, weiß, dass Qualität hier immer auch Quantität bedeutet: Das bischofsmützengroße Brandteiggebäck mit Sahne, Vanilleeis und Kirschen ersetzt mindestens eine Mahlzeit.
Bamberg wurde größtenteils von den Bomben der Alliierten verschont und bietet heute das größte unversehrte Altstadtensemble Europas. Der Dom mit dem riesigen Vorplatz in der Bergstadt ist die religiöse Hochburg der Kaiser- und Bischofsstadt. Er beherbergt zahlreiche künstlerische Kostbarkeiten wie die heilige Kunigunde auf dem Kaisergrab von Tilman Riemenschneider, den lebensgroßen Bamberger Reiter oder den Marienaltar von Veit Stoß. Der Stadtkern ist eine Mischung aus mittelalterlichen Kirchen und barocken Bürgerhäusern. Das bunt bemalte Rathaus steht mitten in der Regnitz. Der Sage nach wollte der Bischof den Bürgern keinen Millimeter seines Bodens für einen Bauplatz geben. Also rammten die Bamberger Bürger Pfähle in die Regnitz und schufen so eine künstliche Insel inmitten des Flusses. Seit 1993 steht Bamberg auf der Liste des Weltkulturerbes. Dazu gehören die herrschaftliche Architektur auf dem riesigen Domplatz der Bergstadt, die Inselstadt mit ihren überbordenden Antiquitätenläden und dem als „Klein Venedig“ bezeichneten ehemaligen Fischerviertel sowie die Gärtnerstadt.
Michael Niedermeyer hat dort heute noch eine Gärtnerei für Ziersträucher. Wo früher an die 400 Gärtner in der Stadt Gemüse und Kräuter züchteten, sind heute noch zirka 20 Gärtnereien übrig geblieben. Weite, freie Räume liegen versteckt hinter den typischen kleinen Fachwerkhäusern der Gärtner mit den großen Tordurchfahrten. „Dass alles so geblieben ist, ging nicht ohne Kampf ab“, erzählt Michael Niedermeyer. „In den Sechzigerjahren wollte man hier eine Straße durchbauen, immer wieder wurde von der Stadt versucht, diese Äcker mitten in der Stadt als Bauland auszuweisen.“ Ohne Erfolg. Denn die zunft- und traditionsbewussten Gärtner wehrten sich dagegen. Inzwischen schützt nicht nur Maria Magdalena, die Heilige der Gärtner, sondern das Weltkulturerbe die Gärtnerstadt.
Michael Niedermeyers Sohn Sebastian ist einer der wenigen, die die jahrhundertealte Familientradition fortführen wollen. Er macht gerade seine Ausbildung als Biogärtner. „Die meisten schütteln nur den Kopf darüber, dass ich das mache“, erzählt er. „Man sagt mir, mit Salatköpfen sei kein Geld zu verdienen.“ Doch Sebastian hat nicht nur Spaß daran, weiterzugärteln. Er glaubt auch, „dass regionaler Anbau sich immer mehr lohnen wird und sich auf dem Markt behauptet“. Darauf setzt auch die Landschaftspflegerin Gertrud Leumer, die in der Gärtnerstadt den Kräuterladen Mussärol betreibt. Sie schwört nicht nur auf den Geschmack des Bamberger Hörnchens, einer hier wachsende Kartoffelsorte. Sie pflanzt auch Süßholz, das lange Zeit aus der Mode gekommen war, und den traditionellen Majoran, den Mussärol.
Dass die regionale Produktion von Kräutern und Gemüse Zukunft hat, dafür spricht zumindest der Erfolg des lokalen Biers. „Kein Bamberger würde sich den Kasten Bier eines großen Konzerns in den Keller stellen“, sagt Gertrud Leumer. „Am liebsten wechselt man unter den einheimischen Bieren, je nach Geschmack und Laune.“ Die Liebe zum einheimischen Bier mit seinen über 60 Spielarten schlägt sich auch in den Statistiken nieder: Der Bamberger Pro-Kopf-Verbrauch an Bier soll bei 280 Litern im Jahr liegen. In Restdeutschland liegt er bei 108 Litern.