: Kouchner beißt in Bogotá auf Granit
Sechs Jahre nach der Verschleppung der Frankokolumbianerin Ingrid Betancourt durch die Farc-Guerilla bemüht sich Frankreichs Außenminister in Kolumbien um einen umfassenden Gefangenenaustausch – weiterhin vergebens
AUS BOGOTÁ GERHARD DILGER
Seit nunmehr sechs Jahren befindet sich die kolumbianisch-französische Politikerin Ingrid Betancourt in der Gewalt der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc). In Bogotá feierte der apostolische Nuntius am Samstag eine „Messe der Hoffnung“ für die ehemalige Senatorin. In Frankreich fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt.
In den letzten Monaten ist Bewegung in das Geiseldrama um Betancourt und gut 40 weitere Politiker, Polizisten und Militärs gekommen, die die Urwaldkämpfer gegen mindestens 400 ihrer inhaftierten Gesinnungsgenossen austauschen wollen. Deswegen ist auch Betancourts Mann Juan Carlos Lecompte zuversichtlicher als in den Vorjahren: „Damals war die Ungewissheit total, heute gibt es Hoffnung.“ Lecompte unterstrich die Schlüsselrolle der Senatorin Piedad Córdoba und des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, die sich auch nach dem Entzug ihrer Vermittlungsmandats durch Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe im November weiterhin für ein „humanitäres Abkommen“ einsetzen. Mit Erfolg: Anfang Januar übergaben die Farc dem Roten Kreuz und dem venezolanischen Innenminister Betancourt-Freundin Clara Rojas und die liberale Abgeordnete Consuelo González de Perdomo. Anschließend forderte Chávez von Uribe, den USA und der EU, die Farc nicht mehr als „Terrororganisation“ einzustufen, sondern als Kriegspartei – Wasser auf die Mühlen des kolumbianischen Establishments, das Anfang des Monats zu riesigen Anti-Farc-Demonstrationen mobilisiert hatte. Profitiert hat von dieser Entwicklung vor allem Uribe, dessen Gefolgsleute gleich nach den Kundgebungen eine Kampagne für seine erneute Wiederwahl 2010 starteten.
Der bewaffnete Konflikt, nach Lesart Uribes nur ein Terrorismusproblem, „hat uns als Gesellschaft zerstört und unsere Reaktionsfähigkeit verhindert“, meinte Betancourts Mann, Juan Carlos Lecompte. Die breite Empörung über das harte Los der Geiseln und Chávez’ vermeintliche Allianz mit den Farc hat der Präsident geschickt dafür genutzt, seine Politik der harten Hand gegenüber der Guerilla als alternativlos erscheinen zu lassen. Den Geiseln und ihren Angehörigen bleibt die Hoffnung auf Hilfe von außen, vor allem aus Frankreich. In Caracas erfuhr Außenminister Bernard Kouchner am Mittwoch von Hugo Chávez, die Farc wollten nicht nur drei, sondern vier weitere Politiker freilassen, darunter vermutlich den herzkranken Senator Jorge Eduardo Gechem. Tags darauf beschwor er Uribe, keine gewaltsame Befreiung zu versuchen. Hatte sich doch die Freilassung von Rojas und Perdomo verzögert, weil die Armee die Positionen der Guerilla im Übergabegebiet bombardierte.
Tags darauf verkündete Verteidigungsminister Juan Manuel Santos zum Entsetzen der Angehörigen, die Armee habe die zu übergebenden Geiseln und ihre Bewacher in der Provinz Guaviare ausfindig gemacht. Der frühere Friedensbeauftragte Camilo Gómez wertete die Erklärung als „Provokation“. Wieder einmal wurde deutlich, wie die Geiseln von beiden Seiten als politische Manövriermasse missbraucht werden. Für die Farc bleiben sie, allen voran Betancourt, das wichtigste Faustpfand, mit dem sie die Regierung unter Druck setzen können. „Frankreich ist der Motor für ein humanitäres Abkommen“, lobte Lecompte. Doch der Weg zu direkten Verhandlungen bleibt steinig, die Konzessionsbereitschaft Uribes minimal. Kouchners Vorschlag, Venezuela wieder in die Vermittlergruppe zu holen, lehnt er vehement ab.
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