: Der Vamp musste gehen
„Glamour! Das Girl wird feine Dame“ im Georg-Kolbe-Museum erzählt aus der Spätphase der Weimarer Republik. Mode und Film wurden zum Impulsgeber für die Künste, die den Glamour für sich entdeckten, aber auch um seinen hohen Preis wussten
VON KATRIN BETTINA MÜLLER
Sie schaut nicht gerade freundlich, die „Dame in Gelb“, die Willy Jaeckel 1928 malte. Ihr gelbes Kleid ist schlicht, ihr weißer Fellmantel dafür umso auffälliger. Verblüffend ist ihre Körperhaltung: Zurückgelehnt streckt sie die Hüften dem Betrachter entgegen. Die verschlossene Miene signalisiert dagegen: „Schau mich ruhig an. Das alles bin ich. Aber nicht für dich.“
Jaeckels Bild gehört zu den vielen interessanten Frauenporträts, gerade auch von weniger bekannten Künstlern und Künstlerinnen, die den Besuch der Ausstellung „Glamour! Das Girl wird feine Dame“ im Georg-Kolbe-Museum lohnenswert machen. Die Ausstellung beleuchtet einen schmalen Zeitraum vom Ende der Weimarer Republik, vier Jahre von 1928 bis 1932, und verbindet Frauenporträts aus der Malerei, Skulpturen von Sportlerinnen, die den Golf- und Tennisschläger schwingen, mit Entwürfen für Abendkleider und Covern von Modezeitschriften. Den Höhepunkt bildet ein Raum mit Fotografien und Filmplakaten von Marlene Dietrich, Brigitte Helm und Greta Garbo.
All dieses Material taugt hervorragend als Beleg für die These der jungen Ausstellungskuratorin Verena Dollenmaier: „Die in Mode gekommene ‚Dame‘ war nicht bloß ein Signum für die gescheiterten Emanzipationsversuche des aus der Puste gekommenen ‚Girls‘. Sie war auch nicht die Vorstufe zur heimatverbundenen und pflichtbewussten Mutter, die sich die Nationalsozialisten als Musterbild auserkoren hatten. Die ‚Dame‘ der späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre wurde vielmehr in den Filmstudios von Hollywood erschaffen und in den Pariser Haute-Couture-Salons eingekleidet; sie war im wahrsten Sinne Trägerin einer neuen Mode, die vor allem international und weltläufig war.“
Eine Protagonistin der Weltläufigkeit, nach der man sich auch von Deutschland aus sehnte, ist die polnische Malerin Tamara de Lempicka, die in Paris lebte. Ihr Porträt von Mrs Allan Bott wurde 1930 zum Titelblatt der Oktobernummer der bei Ullstein erscheinenden Zeitschrift Die Dame. Mrs Bott fällt durch breite Schultern und muskulöse Oberarme auf, die ihrer Figur im Abendkleid eine ganz besondere Stärke geben. Als ob sie mit den Wolkenkratzern, die hinter ihr kubistisch verspielt aufsteigen, um die Dominanz konkurriere.
Lempickas Figuren glänzen durch Härte. Auch in ihrem Bild „Das Telefon II“ wirken die Locken einer jungen, ins Ferngespräch vertieften Frau wie aus Metallbändern geschnitten. Selbst wenn man die Reproduktion schon kannte, staunt man vor dem recht kleinen Original über die visuelle Präsenz der Figur, die den Rahmen fast auseinandersprengt. Das Bild ist eine Leihgabe von Wolfgang Joop, der im Katalog erzählt, wie Lempickas Bilder ihn einmal entscheidend beeinflussten: Ihre Bilder machten ihm, als er noch Kunststudent war, Mut, sich für die Mode und gegen die Kunst zu entscheiden.
Für Weltläufigkeit steht natürlich auch Marlene Dietrich, die ab 1930 mit Josef von Sternberg in Hollywood arbeitete. Keine beherrschte den Glamour wie sie. Auf einem gemalten Plakat sieht man sie als „Die blonde Venus“, im schwarzen Pelz, roten Rock, mit beinahe goldenen Locken. Das vorgestellte Knie, das gesenkte Kinn verleihen der Pose der Verführung aber zugleich jene Prise des Bedrohlichen, die den Vamp auszeichnete.
Der Vamp musste Deutschland verlassen, das Sportmädel konnte bleiben. Das eben ist der Grund, warum die Erzählung der Ausstellung, die durch ihr Material so evident belegt scheint, so bisher nicht vorgetragen wurde. Die späten Zwanzigerjahre waren die Zeit der Massenarbeitslosigkeit, Armut und politischen Radikalisierung. Eine kritische Kunstgeschichte hatte sich deshalb bisher darauf verlegt, die Künstler hervorzuheben, die der Depression und den Kämpfen Ausdruck gaben. Oder sie erzählte die Geschichte des Ausgeschlossenen, der Künstler, die gehen mussten, der Formsprachen, die zensiert wurden. Die Vielfalt und die exotischen Abweichungen, für die die Kunst der Zwanzigerjahre steht, verengten sich zusehends. Die Beschäftigung mit dem Glamour, der neu auf den Plan trat, war auch ein Mittel zur Ablenkung von der Krise.
Man findet dieses Wissen auch im Katalog der Ausstellung, die sich in der Auswahl der Ausstellungsstücke einen schwelgerischen Blick auf den Glamour erlaubt. Das kommt, wie das große, auch überregionale Medienecho auf dieses Projekt im davon nicht gerade verwöhnten Kolbe-Museum zeigte, außerordentlich gut an.
Das ganze Untergeschoss des Kolbe-Museums ist textilen Entwürfen gewidmet, die die Dame für den ganz großen Auftritt einkleiden. Lotte Wernekink etwa zeichnete Abendkleider, die am Knie so eng waren, dass nur noch kleine Schritte möglich waren; dafür entschädigten aber zipfelige Säume und Schleppen, die sich wie ein Pfauenschwanz auffächern ließen und die äußerst zarte Silhouette der Trägerin wie mit einer Aura rahmten.
Tjaja, die Sehnsucht nach dem großen Glanz. Glücklicherweise fehlen in der Ausstellung auch nicht die Gouachen von Jeanne Mammen, die einen etwas böseren Blick auf die Welt in Seide und Halbseide warf. Bei ihr ist das Glück der Schönen doch immer ein wenig gestört durch die männlichen Begleiter, die sich mit ihren dicken Brieftaschen zu irgendwas berechtigt glauben. Noch schlimmer ist bei Mammen allerdings, wenn sie nicht mal Geld haben.
Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, Di.–So. 10–17 Uhr, bis 12. Mai. Der Katalog im Seemann Verlag kostet 19,90 €