Bomben mit Baufehlern

Annette Ramelsberger zeigt in „Der deutsche Dschihad“ ungewollt: Bislang hat die Polizei die islamistische Szene ganz gut im Griff

„Man kann fünfmal, sechsmal, siebenmal Glück haben“, warnt Innen-Staatssekretär August Hanning, „beim achten Mal hat man kein Glück mehr“. Gemeint sind islamistische Terroranschläge in Deutschland, die bisher stets scheiterten. Mit seiner düsteren Prognose will er die Öffentlichkeit aufrütteln und bekommt jetzt publizistische Hilfe von der Journalistin Annette Ramelsberger.

Im Mittelpunkt ihres Buches „Der deutsche Dschihad“ stehen sechs fehlgeschlagene Anschlagsversuche: Schon im Jahr 2000 wurde von Frankfurt aus ein Bombenanschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt geplant. 2002 wollte die Al-Tawhid-Gruppe zwei Kneipen in Düsseldorf angreifen, in denen angeblich Juden verkehrten. Zum Beginn des Irakkriegs 2003 plante der Tunesier Ihsan G. erfolglos einen Anschlag in Berlin. Ebenfalls in Berlin scheiterte 2004 ein Attentat auf den damaligen irakischen Präsidenten Allawi.

Besser in Erinnerung ist der 2006 gescheiterte Anschlag mit zwei Kofferbomben auf Nahverkehrszüge in Nordrhein-Westfalen. Und im Vorjahr wurde im Sauerland eine Islamistenzelle verhaftet, die dabei war, Autobomben herzustellen. Ramelsbergers Buch ist materialreich. Sie hatte offensichtlich guten Zugang zu Informationen der Sicherheitsbehörden. Im Gegenzug findet man keinerlei Kritik an der Arbeit von Geheimdiensten, Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft.

Doch auch auf Lob für die Behörden hat Ramelsberger weitgehend verzichtet, obwohl es eigentlich naheläge. Immerhin wurden fünf der sechs Anschlagsversuche vereitelt, weil Polizei und Geheimdienste rechtzeitig Wind von der Sache bekamen. Vor dem Zugriff observierten sie teilweise monatelang die Anschlagsplanungen. Die Behörden scheinen die gewaltbereite islamistische Szene also ziemlich gut im Griff zu haben. Das sagt Ramelsberger aber nicht. Sie findet ja, dass wir uns alle viel zu sicher fühlen.

Wenn man das Buch gegen den Strich liest, fällt auch auf, wie erbärmlich die Anschlagsplaner ausgestattet sind. Obwohl al-Qaida und Konsorten derzeit als die größte Bedrohung der westlichen Welt gelten, war in keinem der sechs Fälle professioneller Sprengstoff im Spiel. Bei jedem zweiten Anschlagsplan standen die Möchtegern-Terroristen sogar noch mit ziemlich leeren Händen da. Ansonsten hatten sie begonnen, sich aus legalen Grundstoffen etwas zusammenzumischen. Am weitesten kamen die beiden Kofferbomber von NRW, die immerhin einen Sprengsatz fertigstellen konnten. Doch auch sie machten einen Baufehler, so dass die Bomben am Ende nicht explodierten. Wird auch beim siebten, achten und neunten Mal nichts passieren?

Das ist Ramelsberger skeptisch. Möglicherweise zu Recht, schließlich haben in New York, Washington, London und Madrid ja tatsächlich verheerende islamistische Anschläge mitten in der westlichen Welt stattgefunden.

Doch was will Ramelsberger mit ihren Warnungen erreichen? Sie fordert die Online-Durchsuchung, damit die Sicherheitsbehörden auch Internet-Telefonate abhören und heimlich Computer von Verdächtigen ausspähen können. Zugleich dürfe der Staat aber nicht nur auf Repression setzen, sondern müsse die gemäßigten Muslime für sich gewinnen, durch Toleranz beim Moscheebau und die Einführung von Islam-Unterricht in der Schule.

„Der deutsche Dschihad“ ist ein sehr informatives, teilweise spannend zu lesendes Buch. Es wäre auch ein gutes Handbuch über die islamistische Terrorszene in Deutschland – wenn es nachvollziehbar aufgebaut wäre und der Verlag nicht an einem Namensregister gespart hätte. CHRISTIAN RATH

Annette Ramelsberger: „Der deutsche Dschihad. Islamistische Terroristen planen den Anschlag“. Econ Verlag, Berlin 2008, 223 Seiten, 16,90 Euro