Verteidiger der Armen

Statt einen betrugsverdächtigen Oberamtsrat zu verteidigen, trat Melf Grantz gestern seinen Job als Sozialstadtrat an

Eigentlich hätte Melf Grantz (SPD) gestern vor dem Bremer Amtsgericht erscheinen sollen. Nicht als Angeklagter, sondern in seiner – nunmehr ehemaligen – Eigenschaft als Verteidiger. Doch Rechtsanwalt Grantz, bisher SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung, ist seit gestern hauptamtlicher Stadtrat für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Frauen in Bremerhaven.

Sein Vorgänger, Wilfried Töpfer (SPD), wurde in den Ruhestand verabschiedet – und der Prozess in Bremen vertagt. Grantz – von 1991 bis 2002 ehrenamtlicher Dezernent für Familie und Jugend in Bremerhaven – kündigte an, sein wichtigstes Ziel werde die Bekämpfung der Kinderarmut sein. Für vier Millionen Euro jährlich sollen neue Betreuungsplätze entstehen.

Nicht mehr verteidigen wird Grantz nun den 52-jährige Oberamtsrat Hartmut A. Dem nach A 13 besoldeten Beamten wird Betrug in zwei Fällen vorgeworfen. Er soll vor mehr als drei Jahren in Berlin zunächst einen Mercedes SL 500 bestellt und dafür bei der Daimler Chrysler Bank einen Kredit von 73.000 Euro aufgenommen haben. Zwei Jahre später geriet er mit der Rückzahlung in Rückstand, 53.000 Euro standen seinerzeit noch aus – doch als die Bank das Luxusauto daraufhin 2006 zurückwollte, war es nicht mehr aufzufinden, sagt die Anklage.

Statt seine Schulden abzustottern, soll der Oberamtsrat kurz zuvor, im Juni 2005, bereits einen weiteren Mercedes auf Pump erstanden haben, diesmal einen CL, von der Volkswagenbank mit über 75.000 Euro kreditfinanziert. Zwar hat A. auch hier anfänglich ein paar Euro zurückgezahlt. Doch als ihm die Bank schon nach einem halben Jahr den Darlehensvertrag kündigte, dazu den Wagen einforderte, war auch dieses Auto offenbar nicht mehr aufzufinden.

Im Falle einer Verurteilung droht dem Angeklagten A. eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren – und der Verlust seines Beamtenstatus. mnz