: Streit um die Bürgerstreife
In Celle will die Stadt mehr Bürger ehrenamtlich durch die Straßen patrouillieren lassen und das Projekt auf weitere Stadtteile ausdehnen. Die Opposition spricht von Blockwartmentalität und will die Bürgerstreifen ganz einstellen
In Celle ist ein Streit darüber entbrannt, ob die ehrenamtliche Bürgerstreife ausgeweitet oder im Gegenteil eingestellt werden soll. Während die Stadt zurzeit plant, künftig in allen Ortsteilen Patrouillen auf die Straßen zu schicken, fordert die SPD-Fraktion den Stopp. „Das hat den Geruch eines Blockwart-Systems“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Rejmann. Edgar Frick, Leiter des Fachdienstes Allgemeine Ordnung der Stadt, spricht dagegen von „nachbarschaftlichem Engagement“.
Seit vorigen April sind die ehrenamtlichen Streifengänger in neun niedersächsischen Kommunen unterwegs. An dem Pilotprojekt des Innenministeriums nehmen außer Celle noch Nordhorn, Stade, Belm, Bersenbrück, Goldenstedt, Hermannsburg und Wittingen teil. In Celle patrouillieren zurzeit jeweils zwei Ehrenamtliche durch zwei Ortsteile. Sie sprechen Fahrradfahrer an, die auf der falschen Seite fahren oder ohne Licht unterwegs sind, Jugendliche, die mit ihren Schuhen die Bänke im Park beschmutzen und Hundebesitzer, die ohne Leine Gassi gehen. „Prävention durch Präsenz“, fasst Frick die Aufgabe zusammen. Dabei haben die ehrenamtlichen Ordnungsdienste nicht die Kompetenz, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Sie dürfen Menschen, die ihnen mit Zuwiderhandlungen gegen die Ordnung auffallen, nur ansprechen. Sollte das nicht ausreichen, melden die Bürgerstreifen den Vorfall bei Behörden und Polizei. Etwa, wenn jemand Sperrmüll auf dem Bürgersteig abgeladen hat.
Die Stadt hält das Pilotprojekt für erfolgreich. Die Polizei habe es zum Jahresende evaluiert und den Bürgerstreifen ein positives Zeugnis ausgestellt. Deshalb hat die Stadtverwaltung laut Frick die Ortsräte der übrigen Stadtteile aufgefordert zu prüfen, ob auch durch diese Ehrenamtliche patrouillieren sollen. Auch in anderen niedersächsischen Kommunen wird das Pilotprojekt „Freiwilliger Ordnungs- und Streifendienst“ positiv beurteilt. In Nordhorn habe sich „das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung deutlich gebessert“, sagte der Leiter des Ordnungs- und Bürgeramtes, Michael Kramer. Auch in Stade habe man ausschließlich gute Erfahrungen gemacht, sagte der dortige erste Stadtrat Dirk Kraska.
Die SPD-Stadtratsfraktion in Celle hingegen sieht das Vorhaben sehr skeptisch. Laut Fraktionschef Jens Rejmann würden durch die Bürgerstreifen „staatliche Aufgaben auf Privatleute übertragen“. Sollte es auf den Straßen von Celle tatsächlich zu Gewalttaten oder anderen Verbrechen kommen, falle dies in die Zuständigkeit der Polizei. Die Bürgerstreifen hingegen würden die Nachbarschaft beobachten und Auffälligkeiten den Behörden melden. „Sie führen nicht zu einer besseren Zusammenarbeit der Bürger untereinander, sondern verkommen zu einer Art Anschwärzinstrument“, sagt Rejmann. „Die Ehrenamtlichen melden zum Beispiel, wenn jemand sein Fahrrad falsch abgestellt hat. So etwas klären Nachbarn sonst untereinander.“
Auch die Polizei sieht die Bürgerstreifen nicht durchweg positiv. Die niedersächsische Gewerkschaft der Polizei hatte das Pilotprojekt zum Start als populistisch kritisiert und die Befürchtung geäußert, dass in der Konsequenz Polizistenstellen abgebaut werden. ELKE SPANNER