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Archiv-Artikel

Allah ante portas

Die Umwandlung von Kirchen in Moscheen sei in absehbarer Zeit denkbar, sagt die Präsidentin des Kirchentages in Bremen 2009, Karin von Welck. Der Rat der Evangelischen Kirche sieht dies kritisch. Muslimische Verbände reagieren verhalten

ABRISSBIRNE DRÄUT

In Hamburg wird im März die erste Kirche abgerissen. Von der 105 Jahre alten Heiligengeistkirche in Barmbek bleibt nur der Ostflügel erhalten. Auf dem übrigen Grundstück sollen Wohnhochhäuser errichtet werden. In den vergangenen Jahren sind zehn weitere evangelische Kirchen geschlossen worden. Zwei davon gingen an christlich-orthodoxe Gemeinden. Eine andere wurde in eine Jugendkirche umgewandelt. In einem Fall konnte eine Kirche erhalten werden, indem der Kindergarten in das Gebäude zog und dessen Haus abgerissen wurde. Auch eine Kulturkirche gibt es, in der Theater gespielt wird. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Zum ersten Mal in ihrem Leben hat die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck „hassgetränkte e-mails“ erhalten. Im Interview mit der Kirchenzeitung Die Nordelbische hatte sie am vergangenen Wochenende gesagt: „Bevor ein Gotteshaus abgerissen wird, würde ich es lieber als Moschee an eine islamische Gemeinde abgeben. Das dürfte in Zukunft noch ein Thema werden.“ Von Welck, die als Parteilose dem CDU-Senat angehört, betont, dass dies nur ein Nebenaspekt in einem langen Gespräch war. 2009 wird sie Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Bremen sein.

Das Interview drehte sich um die Frage, wie Kirchengebäude künftig erhalten werden können. In den Jahrzehnten nach dem Krieg ist der Anteil der Deutschen, die einer der beiden großen Kirchen angehören, von über 90 auf gut 60 Prozent geschrumpft – bei sinkender Bevölkerungszahl. Zudem ließ die schlechte Wirtschaftslage das Kirchensteueraufkommen sinken. Den Kirchen geht somit das Geld aus, um ihren großen Gebäudebestand zu erhalten. Kirchengemeinden fusionieren, Pfarrstellen werden abgebaut, Gotteshäuser geschlossen und im Extremfall abgerissen.

Von Welck hält das für eine schlechte Lösung. Die hohe architektonische Qualität und der identitätsstiftende Charakter der Kirchen seien für Hamburg unentbehrlich. „Wenn ich meinen Kirchturm sehe“, sagt die Senatorin, „habe ich das Gefühl nach Hause zu kommen.“ Die Kirche müsse sich mehr Gedanken darüber machen, wie sie mit ihren Bauten umgehe. „Man muss sich intensiv um eine verträgliche Nutzung kümmern“, findet sie.

In erster Linie kämen für sie soziokulturelle Nutzungen in Frage, in Zukunft aber auch die Übergabe an andere Religionsgemeinschaften. Schon heute stamme die Hälfte der HamburgerInnen unter 18 Jahren aus Einwandererfamilien. „Wir müssen uns auch mit der Realität in unserem Land beschäftigen“, verlangt von Welck. Dazu gehöre es, sich intensiver mit dem Islam auseinander zu setzen.

Von Welcks Position steht der Auffassung des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) entgegen. In der Schrift „Klarheit und gute Nachbarschaft“ (2006) verweist dieser auf den Symbolwert von Kirchen. „Die Umwidmung wird von vielen Christen nicht nur als ein persönlicher Verlust empfunden, sondern kann auch zu Irritationen in der öffentlichen Wahrnehmung führen“, heißt es. Es entstehe der Eindruck, „die Christen würden vor dem Islam zurückweichen“.

Eben darum agieren die Muslime zum Teil sehr vorsichtig. „Wir haben vor zehn Jahren beschlossen, keine sichtbaren Gotteshäuser anderer Glaubensgemeinschaften zu kaufen“, sagt Ahmed Yazici, der stellvertretende Vorsitzende des Bündnisses islamischer Gemeinden in Norddeutschland (BIG). Es sei schwierig, ein Gebäude zu übernehmen, mit dem viele Menschen Erinnerungen an Taufen, Hochzeiten und Trauerfeiern verbänden. „Das wäre kein Beitrag unserer Gemeinde zum Frieden in unserer Stadt“, findet Yazici. Im Stadtteil Wilhelmsburg hat die Türkisch-Islamische Gemeinde (Ditib) eine Neuapostolische Kirche übernommen. Der Bau ist allerdings erst auf den zweiten Blick als Kirche erkennbar.

„Es sieht nicht danach aus, dass die Muslime großes Interesse hätten“, bestätigt Matthias Ludwig, Bauingenieur und Theologe, der bundesweit Gemeinden zur Erhaltung und Nutzung von Kirchengebäuden berät. Die Gemeinden verhielten sich bei dem Thema ängstlich – auch weil im Einzelfall unklar sei, welche Spielart des Islam vorliege.

„Bei den Gemeinden trifft das auf eine gemischte Gefühlslage“, ist der Eindruck von Pastor Hans-Jürgen Buhls, der die Gemeinden des Kirchenkreises Alt-Hamburg berät. Auf der einen Seite sagten sie Ja, weil sie die Bedürfnisse der Muslime verstünden – ihre eigene Kirche dafür herzugeben, sei ihnen aber zu heikel. „Das fiele auf die Gemeinde zurück, die das täte“, sagt der Pastor. Eine Gemeinde allein solle das nicht entscheiden. „Es ist der richtige Weg, über die großen Institutionen zu gehen“, findet er.