: Lieber Barnabas!
RBS – Sein geheimes Tagebuch (4): Die Aufzeichnungen des legendären Hamburger Innensenators a. D., Ronald Barnabas Schill, weltexklusiv in der taz nord. Heute: 2001 – das Jahr des Triumphs
17. Januar
Lieber Barnabas, schöner können Niederlagen gar nicht sein. Wir dürfen uns nicht mehr PRO nennen, hat das OVG gesagt. So ein Pech aber auch, und der BH [Bolko Hoffmann, Chef der Partei PRO-DM und Kläger gegen den Namen PRO] hat gedacht, wir sind jetzt völlig aufgelöst und hat mir sofort angeboten, wenn er auf Platz 2 kommt, können wir weitermachen. Klar, habe ich ihm gesagt, halbe Million Cash auf die Hand und du bist dabei. Da hat er einen Moment geschluckt. Als ob wir auf einen ach so tollen Namen wie PRO nicht verzichten könnten!
Ist doch klar, wie wir uns jetzt nennen! Muss jetzt bloß noch jemanden finden, der’s vorschlägt. Ich selbst in diesem Fall unmöglich, heißt dann gleich Personenkult und pipapro. Soll ich die Karen [Karen Freund, Schills Lebensgefährtin seit 1996] bitten? Würde es glatt machen, aber zu nah. Muss also wieder MM [Mario Mettbach, Schill-Stellvertreter] ran, die treue Seele. Die anderen können noch nicht mal ihre eigenen Namen richtig schreiben. Stell dir vor, nachher heißen wir noch SCHIEL, was für eine Panne. Nein, der M muss ran. U [Franz-Josef Underberg, verurteilter Waffenhändler, wollte mit Hoffmann Führung von Schills-Partei übernehmen] war übrigens wirklich 1 Verräter. Ist jetzt raus. War mir von vornherein unsympathisch. Bleib bei meinem Jäger[meister]. PS: vB kriecht mir hinten rein – soll ich dem trauen? Aufgepasst! – der ist schwul!
12. September
Das ist es. Das war es, worauf ich die ganze Zeit gewartet habe. Lieber Barnabas, ich sage es laut und offen: Jetzt ist die Wahl gewonnen. Ich habe gestern den ganzen Tag ferngesehen und dabei einen Jäger nach dem anderen – vor Glück. Habe ich nicht immer gesagt, dass nur eine brutale Gewalttat passieren muss, und wir sind durch? Jetzt kann uns keiner mehr aufhalten. Und ausgerechnet Rudy mittenmang, und packt an und sorgt für Ruhe und Ordnung. Als wäre ich ein Prophet: Ständig habe ich allen erzählt, der Rudy, das ist mein Mann, wenn Rudy in Deutschland wählen dürfte, dann würde er mich wählen. Dabei kannte den hier kaum jemand. Aber irgendwo tief in mir drin hat diese Ahnung gewohnt, dass mir der Rudy noch nützlich wird. Danke, Danke, Danke! H[erpes] rührt sich auch seit Wochen nicht mehr.
24. September
3 Uhr in der Frühe. 19,4!, 19,4! 19,4! Ich bin Senator! Wenn die schwule Sau Wort hält. Bei Party nicht nur einfache Leute, sondern auch Ulli M[?], der mir persönlich die Hand gedrückt hat. Wir jetzt per Du. Das ist Erfolg! Ulli hat von viel Geld gesprochen. Habe später versuchsweise etwas K[?] probiert, aber es hat nicht geklappt, hat in Nase gekitzelt und ich musste niesen. Peinlich. Hat zum Glück niemand mitgekriegt. Hatte auch ein wenig Angst. Soll Teufelszeug sein.
13. Oktober
Heute wieder Koalitionsverhandlungen. Ernstes Thema. Neuengamme Gefängnis raus, Gedenkstätte groß? Nicht mit mir. Das bin ich Vater schuldig. Schwuli doch besser als gedacht: Innensenator perfekt, Schwulis Kuschelroger wahrscheinlich Just[iz] dafür MM Straßenbau. Der Admiral [FDP-Spitzenmann Rudolf Lange] will auch noch irgendwas. Ist aber ein Verräter: Wäre auch mit rot-grün. Vielleicht guter Badewannensenator? Offen, was mit Karin wird: Eine unversorgte Ex ist schlimmer als Gift, hat Vater immer gesagt. Nur wohin damit? Kultur? Zu wenig Glamour. Dachte erst an Udo [Jürgens], aber Nichtdeutsch. Heino? Frau wäre schon gut: Schaffrath? Dolly? Karen-Problem weiter ungelöst. Knifflig.
31. Oktober
Mit Karen ist es aus. Sie war sehr zornig. Mir aber egal, jetzt, wo alles so gut. Fast Erleichterung. Habe mir vor Vereidigung etwas K.[???!] in Jäger[meister] verrührt. Hat aber nicht geschmeckt. Ob man das auf die Zähne reiben kann? Tolle Idee: Nächstes Jahr schon Bundestag? Ulli hat wieder von viel Geld gesprochen. Sehe Ulli jetzt ziemlich oft, Pläne für Einmarsch im Osten, mag auch Jäger[meister]. Kultur-Problem weiter ungelöst: Schaffrath – Nein, Dolly – Nein, Heino – Nein. Knifflig.
Lesen Sie morgen: 2002 – die Pressehetze