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Archiv-Artikel

DIE ACHSE DES METAL VON JULIAN WEBERTuckernder Traktor

Earth sind zentrale Einflussgröße für alle Grunger, Stoner und Doomer. Einst brachten sie Protagonisten von Kurt Cobain bis Sunn O))) die Handgriffe des runtergestimmten Gitarrenriffs bei. Eines ihrer Frühwerke hieß „German Dental Work“, wobei sich Earth schon vor Jahren jedweder bohrender Härte entledigt haben. Lediglich die Langsamkeit ist geblieben. Der Vierer aus dem pazifischen Nordwesten der USA bewegt sich durch die Ideengeschichte von hard und heavy in Traktorgeschwindigkeit. Dafür entsteht beim Durchpflügen des Terrains ein Höchstmaß an atmosphärischer Dichte.

Auf ihrem neuen Album „The Bees made Honey in the Lions Skull“ entfalten Earth die Gitarrenriffs in meditativer Konzentration. Der tiefere Sinn erschließt sich in Minute 7:29, wenn die Füße von Über-Earth Dylan Carson allmählich vom doppelstöckigen Effektboard schlurfen und das zähflüssige Gedümpel unisono in Melodiebögen aufgeht. Dann tut sich ein Zwischengeschoss auf, in dem psychedelische Acidrock-Elemente zum Vorschein kommen und Ornette-Coleman-Harmolodik-Anwandlungen wie majestätisches Rauschen aus dem Wasserspeicher unter der Stadt. Das impressionistische Piano in „Hung from the Moon“ schließlich schmeichelt dem inneren Balletttänzer.

Earth „The Bees made Honey in the Lions Skull“ (Southern Lord/Soulfood)

Gescheiterte Lebensformen

Aus Mick Barr schlau zu werden, fällt schwer. Hat er Lust auf Garagenversionen vom Great American Songbook, tut er sich mit den Schwestern Mira und Cristina Billotte in der Band Quixotic zusammen. Steht ihm der Sinn nach Marterpfahl-Jazz, metert der Komplexist mit den Flying Luttenbachers Standards in Staccato weg. Seine Gitarrencomputer- Kosakentänze als Orthrelm oder Ocrilim kreuzen Metal kompromisslos mit den äußeren Limits des Jazz, ohne jeden Crossover.

„Annwn“ ist ein Soloalbum für Gitarre, das gleichviel mit Cecil Taylor und Ingwie Malmsteen zu tun hat. Barrs Hände klettern schneller auf den Skalen seiner Gitarre hoch, als David Lee Roth mit pinker Trekking-Hose den Canyon durchsteigt. Lichtgeschwindigkeit ist Trumpf und die Klangfarbe strikt höhenlastig. Zunächst hat es den Anschein, Barr habe zu viel von der verbotenen Frucht der New Wave of British Heavy Metal genascht. Aber der Bad-Taste-Wahnsinn des amerikanischen Gitarristen hat Methode, indem er das Weiche, Jaulende und Einschmeichelnde des 80er-Genremetal in die digitale Echokammer überführt, wo er die Zutaten zu kakophonischen Loops zerkocht. In den sieben „Parts“ von „Annwn“ unterliegen alle Teile der gleichen, stringent-stumpfen Dramaturgie. Klingt wie „gescheiterte molekulare Lebensformen“, sagt Barrs MySpace-Seite. Klingt wie gegen den Wind pinkeln, sage ich. „Mach bitte leiser“, sagt meine Freundin.

Ocrilim „Annwn“ (Hydra Head/Indigo)

Dunkle Tiefkühltruhentöne

Sunn O)))-Gitarrist Stephen O’Malley und der ungarische Death-Metal-Sänger Attila Csihar (ehemals Mayhem) haben für eine Ausstellung des Bildhauers Banks Violette eine achtstündige Surroundsoundinstallation entworfen, die für die CD-Version nun auf 40 Minuten eingedampft wurde, wobei sich O’Malley vornehmlich um das Gedärm seines Verstärkers kümmert. Von da holt er zwei Morton-Feldman-artige Tiefkühltruhentöne ans Dämmerlicht. Einen hohen, fiependen und einen subsonischen Brummton. Man denkt noch, wie kläglich, dann haben sie sich schon ins Gedächtnis geairbrusht.

In einer Tabelle im Booklet sind die Frequenzen der beiden Monster exakt berechnet. Dass sich O’Malley dann doch zu einem Druckwelle-Riff erweichen lässt, hat nichts mit dem Einsatz von Attila Csihar zu tun, der „Toten-Aufwecker“ als Berufsbezeichnung angibt. Die Vocals hat er im Keller seines Schlosses bei Budapest aufgenommen. Der Hall dort ist so sinfonisch wie die Luft sauerstoffarm, was Csihars Schwarze-Messe-Stimme gewisse Dringlichkeit verleiht. Ungarisch ist nun nicht als Rock-’n’-Roll-Sprache bekannt, und was Csihar angeht, soll sie es auch nicht werden. „Belépünk a végtelen téren át/A véges idon túlra“, („Wir durchschreiten den Weltraum / Weit entfernt vom Jenseits“).

Stephen O’Malley & Attila Csihar: „6° Fskyquake“ (Mego/Groove Attack)