streiktagebuch
: „6 Prozent wären schon in Ordnung“

Sabine Bulla, 44, fährt seit 21 Jahren Bus bei der BVG. Ihre Tochter unterstützt sie im Streik.

„Heute bin ich melancholisch. Ist wahrscheinlich das Wetter. Bei Sonne, da geht es einem besser, da tankt man Energie.

Der Streik, der polarisiert die Leute so. Aber ich finde, man sollte schon ein bisschen neutral bleiben und jede Seite sehen. Ich sehe ja auch beide Seiten. Und ich verstehe nicht, dass die Leute jetzt böse auf die Busfahrer sind. Wo doch der Sarrazin derjenige ist, der alles blockiert.

Ich bin ja mit Kollegen auch privat befreundet. Heute hab ich zu einem gesagt: Du, ich hab ein bisschen Angst, wieder auf den Bus zu gehen. Wenn man versucht zu diskutieren, damit kann ich umgehen. Aber wenn die Leute aggressiv werden und zuschlagen, das finde ich schwach. Das ist ja Schwäche. Ich schlage meine Kinder auch nicht.

Wir hätten auch gern, dass der Streik zu Ende geht. Bei den Kollegen gibt es zwei Gruppen. Manche sagen, am Sonntag fahren wir wieder. Andere sagen, das geht noch ’ne Weile. Das ist bei der BVG so, da wird immer Stille Post gespielt. Jeder hört was und sagt was anderes weiter. Am Ende kommt nur Schrott raus.

Es ist immer ein Notdienst da, falls wieder gefahren wird. Der ist für die Dienstzuteiler und die Rangierer. Sie teilen die Busse ein. Ich gehöre nicht zum Notdienst. Eigentlich habe ich am Sonnabend, Sonntag, Montag auch frei. Aber weil ich Einbußen beim Einkommen habe, geh ich morgen wieder streiken.

Heute Morgen waren ziemlich viele Kollegen auf dem Bushof. Einige waren gut gelaunt, aber viele sind müde. Wir würden einfach gerne ein Ergebnis hören. Offiziell heißt es, die Verhandlungen seien abgebrochen. Aber ein Kollege hat gesagt, die wollen unter acht Augen weiterreden. Wer die acht Augen sind, sagen sie nicht. 3,4 Prozent haben sie geboten. Alle wollen 6 Prozent. Dass man keine 12 Prozent bekommt, war klar. Aber 6 Prozent wären schon in Ordnung.

Meine Tochter meinte: ‚Wenn du entlassen wirst, Mama, wegen dem Streik, dann ernähre ich uns.‘ Sie kriegt Lehrlingsgehalt. ’ne Frisörlehre macht sie. Ich sag zu ihr: ‚Das reicht wohl nicht‘, obwohl es natürlich ein sehr schönes Angebot von ihr ist.“

PROTOKOLL: WALTRAUD SCHWAB

Die taz begleitet Sabine Bulla durch den BVG-Streik