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Archiv-Artikel

Steine und Granaten

Ein Minister Serbiens kritisierte den UNO-Einsatz als „außerhalb jeder zivilisierten Art“

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Im Kosovo ist die befürchtete Eskalation eingetreten. Serbische Demonstranten erzwangen am Montagmittag den Rückzug der UN-Polizei aus dem von Serben kontrollierten Norden der Stadt Mitrovica. Jetzt versucht die internationale Schutztruppe KFOR das Kommando in diesem Stadtteil zurückzugewinnen.

Rund 100 Serben sowie Dutzende internationale Polizisten und Soldaten wurden bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen verletzt, darunter 22 polnische Polizisten und 8 französische Soldaten. Die polnischen Polizisten seien zunächst mit Steinen und dann auch mit Granaten und anderen hausgemachten Sprengsätzen beworfen worden, erklärte ihr Sprecher Mariusz Sokolowski.

Die Ausschreitungen hatten begonnen, nachdem am frühen Montagmorgen 500 ukrainische und polnische UN-Polizisten ein von Serben besetztes Gerichtsgebäude gestürmt hatten. Dabei verhafteten sie 53 Besetzer. Als diese Verhafteten abtransportiert werden sollten, griffen mehrere tausend aufgebrachte serbische Demonstranten den Konvoi an. Es gelang ihnen, rund 20 der Festgenommenen wieder zu befreien. Zahlreiche Einsatzfahrzeuge wurden bei der Aktion demoliert und gingen in Flammen auf.

Ein politischer Berater der UN-Mission im Kosovo erklärte, die Besetzer sollten vor ein Gericht gestellt werden. Man werde auf keinen Fall dem Mob nachgeben, sondern die Ruhe in Nordmitrovica wieder herstellen. Dagegen forderte der serbische Kosovominister Slobodan Samardzić „ultimativ“ die Freilassung aller Festgenommenen. Er sprach von 34 Personen, die sich weiter im Gewahrsam der UN-Polizisten befinden. Samardzić kritisierte das Eingreifen der internationalen Sicherheitskräfte als „nicht hinnehmbar und außerhalb jeder zivilisierten Art“.

Der serbische Staatspräsident Boris Tadić verlangte von Unmik und KFOR, keine Gewalt gegen die serbischen Demonstranten anzuwenden. Die UN-Mission und die KFOR versuchen jedoch, das Gesetz des Handelns zurückzugewinnen. Man wolle die „Herrschaft des Rechts“ wieder herstellen, sagte ein Mitarbeiter der UN der taz.

So ist für die nächsten Tage kaum eine Entspannung der Lage zu erwarten. Denn die Besetzungsaktion der serbischen Demonstranten vom letzten Freitag erscheint Beobachtern keineswegs als spontaner Akt. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos am 17. Februar hat die serbische Seite Schritt für Schritt die Lage im Kosovo eskaliert. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit des Kosovos nicht an und weigert sich, mit der neu geschaffenen EU-Mission zusammenzuarbeiten. Diese EU-Mission soll helfen, die Verwaltungsstrukturen des Kosovos aufzubauen.

Nach dem Sturm auf einige Grenzstationen kurz nach der Unabhängigkeitsfeier zog die serbische Seite ihre Polizisten aus der bis dahin gemeinsam mit Albanern gebildeten Kosovopolizei zurück. Und dies nicht nur in dem von Serben beherrschten Gebiet nördlich von Mitrovica, das eine direkte Grenze zu Serbien besitzt, sondern auch in den serbischen Enklaven im Kosovo.

Außerdem griffen serbische Militante wenig später das Gebäude der EU-Mission in Nordmitrovica an und erzwangen den Abzug der Mitarbeiter aus der Stadt. Die EU-Mission ist seither nur in den Albanergebieten aktiv.

Obwohl die internationalen KFOR-Truppen und die UN-Polizei auch die Sicherheit der serbischen Minderheit im Lande gewährleisten wollen, ging die serbische Seite mit der Besetzung des UN-Gerichts in Nordmitrovica jetzt einen Konflikt mit der UN ein. Mit Rückendeckung Russlands im Weltsicherheitsrat hatte die serbische Regierung sich bisher für ein Verbleiben der UN-Mission im Lande ausgesprochen.

Die Bundesregierung warnte vor Versuchen von serbischer Seite, den Unabhängigkeitsstatus des Kosovos in Zweifel zu ziehen. Man erwarte, dass KFOR und die Unmik-Polizei die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Eine Teilung des Kosovos komme nicht in Frage. Auch die EU-Kommission in Brüssel zeigte sich besorgt über die Eskalation: Alle Seiten sollten an „einem multiethnischen Kosovo mitarbeiten“.