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Archiv-Artikel

Nonnen retten das Kopftuch nicht

Gericht verbietet einer muslimischen Lehrerin in Baden-Württemberg, in der Schule Kopftuch zu tragen – obwohl andernorts Nonnen in Ordenstracht unterrichten. Christliche Kleidung werde nicht „systematisch“ bevorzugt

FREIBURG taz ■ Für die muslimische Lehrerin Doris Graber wird es langsam eng. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim bestätigte gestern die Weisung der Schulbehörde, dass sie im Unterricht ihr Kopftuch abnehmen muss. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass an einer anderen Schule in Baden-Württemberg Nonnen mit Nonnenhaube unterrichten. Das Gericht hob damit das Urteil der Vorinstanz auf.

Noch im Sommer 2006 sah es besser aus für Graber. Da hatte das Stuttgarter Verwaltungsgericht entschieden, dass die Landesregierung ihr Verbot religiöser Kleidung in der Schule so lange nicht durchsetzen könne, wie sie an einer staatlichen Schule bei Baden-Baden den Unterricht von drei Nonnen im Habit dulde. Doch schon in der mündlichen Verhandlung letzte Woche war abzusehen, dass der VGH dies anders sieht. Die Schule bei Baden-Baden sei wegen ihrer Vorgeschichte als ehemalige Klosterschule ein „Sonderfall“, sagte der Vorsitzende Richter Georg Schefzig, und kein Hinweis auf eine „systematische“ Bevorzugung christlicher Kleidung.

Stattdessen hatte Schefzig ausführlich über eine Sonderregelung für die 58-jährige schwäbische Muslimin Graber nachgedacht, weil diese schon seit über 30 Jahren „beanstandungsfrei“ unterrichte.

Von einer Sonderregelung war aber in der dürren Mitteilung des Gerichts gestern nicht mehr die Rede. Die ausführliche Urteilsbegründung wird erst in einigen Wochen vorliegen.

Die 1984 zum Islam konvertierte Graber trägt seit 1994 in der Schule Kopftuch. Bekannt wurde sie der Schulverwaltung erst, als sich die deutsch-afghanische Lehramtsanwärterin Fereshta Ludin im Jahr 2000 vor Gericht auf den Präzedenzfall berief. Seitdem geht das Land auch gegen Graber vor.

Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Schulverwaltung könnte der Lehrerin deshalb bald mit der Entfernung aus dem Schuldienst drohen. Möglicherweise könnte Graber aber auch islamischen Religionsunterricht geben – falls dieser in Baden-Württemberg eingeführt wird. Dort wären Kopfbedeckungen erlaubt. CHRISTIAN RATH