Wirtschaft auf Kita-Trip

Laut einem Ranking der umstrittenen „Initiative neue Soziale Marktwirtschaft“ zahlen Eltern im Norden die höchsten Kita-Gebühren. Dabei würden sich Gratis-Kitas nach einigen Jahren rechnen

VON KAIJA KUTTER

Ein Schreck muss durch Norddeutschlands Stadtverwaltungen gegangen sein, als die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zu Wochenbeginn gemeinsam mit der Zeitschrift Eltern ein Ranking der Kita-Gebühren veröffentlichte (taz berichtete). Mit Platz 100 die teuersten Halbtags-Kindergartenplätze für Familien mit mittlerem Einkommen (45.000 Euro brutto im Jahr) hat Bremen mit 1.752 Euro im Jahr, gefolgt von Lübeck auf Platz 99 und Hamburg auf Platz 98. Acht der zehn teuersten Städte liegen im Norden, darunter Flensburg (96), Hannover (94), Kiel (93), Braunschweig (92) und Wilhelmshaven (91).

Wohlgemerkt geht es hier nur um die mittleren Einkommen. Bei den Geringverdienern bis 25.000 Euro Jahresbrutto machten viele Städte wie Bremen und Hamburg gar keine Angaben, so dass die Studie hier eine verzerrte Darstellung bietet. So zahlen in Bremen fast 40 Prozent der Eltern wegen ihres geringen Einkommens nur sechs Euro pro Kind im Monat, was im „Kita-Monitoring“ nicht aufgeführt wird.

Dennoch kommt die Studie zu dem Fazit, dass Kommunen aus nördlichen Bundesländern die Eltern „im Durchschnitt höher belasten als Kommunen aus südlichen Bundesländern“. Eine Erklärung dafür hat INSM-Projektleiter Carsten Seim nicht, höchstens darüber, dass es den Kommunen im Süden dank Maschinenbau- und Elektroindustrie besser gehe.

So bietet Testsieger Heilbronn in Baden-Württemberg die Kita-Plätze für alle drei bis sechsjährigen Kinder seit Jahresbeginn kostenlos an. „Die Entscheidung ist auf zwei Jahre befristet, weil die finanzielle Lage der Stadt gerade ganz gut ist“, sagt ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Andernorts, wie im klammen Schleswig-Holstein, sitzt den Kommunen schon mal der Landesrechnungshof im Nacken. „Der sagt uns, dass die Eltern bis zu 30 Prozent der Betriebskosten selber zahlen können“, sagt Bildungsministeriumssprecher Sven Runde. Dabei bittet kein anderes Land in Europa die Eltern bei der Kita-Finanzierung so zur Kasse wie Deutschland. Folgt man der INSM, ist das Politik von gestern. „Wir setzen uns dafür ein, dass man den Halbtagskindergarten ab dem 3. Lebensjahr als erste Bildungsstufe sieht“, sagt Geschäftsführer Max Höfer. „Und wie die Schule sollte die generell kostenfrei gestellt sein“.

Die Forderung fußt auf einer Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln Ende 2006 für die INSM erstellte. Demnach hatten Kinder, die länger als ein Jahr die Kita besuchten, bei Pisa 2003 einen Lernvorsprung von ein bis zwei Schuljahren. Doch es besuchten fast 40 Prozent der Kinder aus bildungsfernen Schichten eine Kita nur kürzer als ein Jahr oder gar nicht. „Für diese Gruppe müssen wir die Hürde einer Gebühr beseitigen“, sagt Autor Axel Plünnecke.

Ferner sollen höher qualifizierte ErzieherInnen mit Fachhoschulabschluss eingestellt werden. Für beide Maßnahmen rechnet der Ökonom jährliche Kosten von 3,6 Milliarden Euro, die sich aber langfristig mehr als gegenfinanzieren ließen. So könnte der Bedarf an nachschulischer Qualifizierung arbeitsloser Jugendlicher dank besserer Bildung um ein Drittel gesenkt werden, was eine Milliarde Euro spare. Den Löwenanteil von 2,9 Milliarden Euro könne der Staat sparen, indem er die Kinder dank höherwertiger Kitas ein Jahr früher einschult. „Man könnte die Schüler ein Jahr früher in den Arbeitsmarkt entlassen“, sagt Plünneke. Auch Gymnasiasten würden das bereits auf 12 Jahre verkürzte Abitur dann ein Jahr jünger ablegen. „Nachbarländer wie Holland machen uns vor, wie das geht.“

Die INSM ist übrigens nicht irgendeine Initiative, sondern eine vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall im Jahr 2000 gegründete PR-Agentur, deren Ziel es ist, die Bevölkerung von wirtschaftsliberaler Reformpolitik zu überzeugen.