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Archiv-Artikel

Alte Hüte werden keine hippen Caps

betr.: „Der Privilegierten-Kampf“

Alte Hüte werden nicht zu hippen Caps, indem man sie alle paar Wochen demonstrativ durch die altlinken Szeneviertel trägt – und genauso wenig wird Christian Füllers immergleiche Leier über die angebliche soziale Wohltat Studiengebühren spannender, wenn er sie immer mal wieder in der sich immerhin doch noch irgendwie links und szeneaffin gebärdenden taz zum Besten gibt. Mit Rekurs auf Marx die soziale Umverteilungswirkung von Studiengebühren hochleben zu lassen, macht eigentlich nur eines zum x-ten Male deutlich: Wer sich auf eine rein materialistische Argumentation einlässt, verbaut sich beim Thema Bildung selbst die Einsichten.

Klar: Derzeit sind die Chancen, überhaupt ein Studium aufnehmen zu können, extrem unfair verteilt. Zu glauben, dass Studiengebühren daran etwas verbessern, weil der Staat dadurch ja Ressourcen generiert, die er natürlich umgehend in bessere Schulen für alle Kinder, gerade die aus bildungsfernen Schichten stecken wird, ist gelinde gesagt ziemlich weltfremd. Selbst wenn dem so wäre: Sozial weit gerechter ließen sich diese Ressourcen über eine stärkere Steuerprogression und eine Erbschaftssteuer, die diesen Namen verdient, in die Kasse holen.

Tatsächlich befördern Studiengebühren aber keine Umverteilung von oben nach unten, wie Füller schwadroniert, sondern eine noch stärkere Ausgrenzung sozial Schwächerer von Hochschulbildung. Wie alle Erfahrungen aus den Bundesländern, die Gebühren eingeführt haben, beweisen, sind es gerade die AbiturientInnen aus sozial weniger privilegierten Elternhäusern, die durch die zusätzlichen Kosten vom Studium abgeschreckt werden, und seien es „nur“ 83 Euro im Monat. Sie entscheiden sich lieber für eine Ausbildung – und nehmen SchulabgängerInnen ohne Abitur die knappen Ausbildungsplätze weg.

Füller liegt richtig, wenn er den Einsatz für Chancengleichheit vor allem im Schulsystem einfordert – er verspielt die Kraft dieses richtigen Arguments jedoch einer billigen Pointe zuliebe, wenn er mehr soziale Offenheit in der Schule gegen weniger Selektivität an der Hochschule ausspielt. Indem sie die für eine gerechtere Gesellschaft notwendigen Entwicklungspotenziale selbst noch zur Ware degradieren, wirken Studiengebühren (wie alle anderen Bildungsgebühren) auch langfristig sozialer Gerechtigkeit entgegen.

FLORIAN PETERS, Kiel