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Archiv-Artikel

Als Giscard d‘Estaing eine Matruschka aß

In Timbuktu füllen die Menschen Tiere mit anderen Tieren, um sie an Festtagen am Spieß zu braten. Ein Kochbuch über Afrika, das Reisewillige, Ästheten und ethnologisch Interessierte gleichermaßen ansprechen dürfte

Wie kann auf einem riesigen Erdteil, in dem mehr als 3.000 ethnische Gruppen leben, ein gemeinsamer Geschmack entstehen? Von dieser Frage ließen sich Lydia Gautier und ihr Kollege Jean-Francois Mallet zu ihrem Buch „Der Geschmack Afrikas“ inspirieren. Entstanden ist ein Kochbuch, das zugleich als Reiseführer dienen kann.

Abgesehen vom arabisch geprägten Norden und der Kapregion finden sich viele Gemeinsamkeiten auf dem großen Kontinent. Dazu gehört „Fufu“, der berühmte Brei aus Körnern oder Wurzeln, der überall in Afrika verbreitet ist. In Simbabwe heißt er „Sadza“, in Namibia „Oshifima“ und in Südafrika „Pap“. Fufu ist jedoch universell und allen Afrikanern ein Begriff.

Angereichert wird die afrikanische Küche fast überall mit Blattgemüse, Maniok, Kürbis, Süßkartoffeln, Jamswurzeln, Bohnen und Kochbananen. Dazu wird gern gegrillt. In dieser Disziplin tun sich besonders die Menschen in Timbuktu hervor: „Sie sind bekannt für ihre kulinarische Erfindungsgabe, besonders beim Grillen gelten sie als wahre Meister“, schreiben Gautier und Mallet und illustrieren das mit einer Anekdote:

Als der französische Staatspräsident Valéry Giscard d‘Estaing im Jahre 1977 zu Besuch kam, sollen ihm die Menschen von Timbuktu das größte Kamel-Matruschka aller Zeiten zubereitet haben: „Sie füllten das Tier mit einem Hammel, diesen wiederum mit einem Huhn, indem eine Taube steckte, die ihrerseits ein paar Eier enthielt und drehten den geschachtelten Spieß von früh bis morgens über dem Grill.“

Wenn nicht gerade Giscard d‘Estaing zu Besuch ist, müssen sich die Menschen von Timbuktu mit gegrilltem Hammel begnügen. Dieser wird häufig mit Couscous gefüllt, manchmal auch mit einem Huhn. Auch der Hammel ist ein Festtagsgericht. Im schnöden Alltag gibt es frittierte Teigtaschen gefüllt mit Eiern und Gemüse, Reis mit Fisch und Gemüse, Joghurt mit Hirse oder bunten Bohnensalat.

In Mali steht das Essen mit der Familie im Mittelpunkt des täglichen Lebens. Vor allem an der Hauptmahlzeit, die immer zur gewohnten Stunde eingenommen wird, sollen alle teilnehmen. Die Sitten sind rau: „Zurückgelegt wird nichts“, berichten Gautier und Mallet. „Wer zu spät kommt, muss damit rechnen, leer auszugehen.“

„Der Geschmack Afrikas“ ist mehr als ein Kochbuch. Das Buch nimmt uns mit auf eine Reise entlang des Niger, von der alten Fischstadt Mopti vorbei an Timbuktu, wo einst die Karawanen halt machten, bis ins Herz Afrikas. Neben den 50 Rezepten bieten Gautier und Mallet viel Wissenswertes über Tradition und Kultur der Regionen. Zwar ist es unmöglich, den Geruch Afrikas zwischen zwei Buchdeckel zu pressen, mit den eindrucksvollen Fotos von Mallet ist es jedoch gelungen, wenigstens die Farbenpracht des Kontinents einzufangen. BIRGIT GÄRTNER

Lydia Gautier, Der Geschmack Afrikas, Christian Verlag GmbH, München 2008, 160 S., zahlreiche farbige Abbildungen, 29,95 Euro