: Irak: „Kein Freibrief“ für BND
Zentrale Falschinformationen aus Colin Powells Brandrede gegen den Irak vor dem UN-Sicherheitsrat 2003 stammten vom Bundesnachrichtendienst, berichtet „Der Spiegel“
HAMBURG/BERLIN ap/taz ■ Frühere Mitarbeiter der US-Regierung haben wegen Geheimdienstinformationen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg 2003 schwere Vorwürfe gegen den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) erhoben. Der BND habe die CIA mit jenen Informationen über angebliche mobile Biowaffenlabore versorgt, die der damalige US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 zum zentralen Punkt seiner Rede vor dem US-Sicherheitsrat machte. Nur: Die Informationen seien nicht nur falsch gewesen, sie hätten darüber hinaus auf nur einer einzigen Quelle beruht, sagte Powells früherer Stabschef, Larry Wilkerson, dem Spiegel.
Die US-Regierung habe nicht einmal gewusst, dass die CIA niemals selbst mit der Quelle gesprochen habe, sagt Wilkerson. Nach seiner Darstellung stammten die Informationen von einem irakischen Ingenieur mit dem Codenamen „Curveball“, der bis zum Sommer 2001 dem BND in mehr als 50 Sitzungen detailreich über das angebliche mobile Biowaffenprogramm berichtete. „Ihr Deutschen tragt zumindest eine Mitschuld“ am Lügengebäude der angeblichen Massenvernichtungswaffen, sagt Wilkerson heute. Er könne Deutschland keinen Freibrief ausstellen. Da alle befreundeten Geheimdienste auf die Zulieferungen der US-Dienste angewiesen seien, fühlten auch sie sich bemüßigt, ab und an etwas „Saftiges“ zu liefern.
Auch der ehemalige US-Waffeninspektor im Irak, David Kay, kritisierte den deutschen Auslandsgeheimdienst für seinen Umgang mit „Curveball“: Der BND sei „offensichtlich selbst nicht willens oder in der Lage“ gewesen, die Quelle richtig einzuschätzen, und habe durch seine Weigerung, „Curveball“ durch den US-Geheimdienst CIA befragen zu lassen, auch verhindert, dass andere das für ihn übernähmen. „Das war unehrlich, unprofessionell und verantwortungslos“, wird er zitiert.
Dem Spiegel nach wohnt der Informant in Süddeutschland, wo er mit seiner Familie auf seinen deutschen Pass wartet. Im September 2007 hätten die deutschen Behörden seiner Einbürgerung grundsätzlich zugestimmt. Das Blatt zitierte ihn mit den Worten: „Ich habe nie gesagt, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hat.“ Der BND äußerte sich nicht zu dem Spiegel-Bericht. PKT