piwik no script img

Archiv-Artikel

Kein Bock auf Problemkinder

Weil ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche die Ski-Touristen vertreiben könnte, macht eine Bürgerinitiative im Harz dagegen mobil. Die Initiative warnt: Hohegeiß wird eine Geisterstadt, die Sicherheit des 950-Seelen-Ortes ist gefährdet

VON MARCO CARINI

Die Schreckensszenarien sind formuliert: Vandalismus, Randale, ausbleibende Touristenströme, die das Harzer Feriendörfchen Hohegeiß in eine Geisterstadt verwandeln werden. Hans-Jürgen Trute zieht alle Register, wenn er sich darüber ereifert, welche Folgen eine Umwandlung des örtlichen Berg-Hotels in eine Unterbringung für schwer erziehbare Jugendliche haben würde. „Die Sicherheit des Ortes wird nicht mehr gewährleistet sein und die Gäste werden wegbleiben“, sieht der Sprecher der „Bürgerschaftlichen Initiative Hohegeiß“ voraus.

„Mörder“, so weiß Trute immerhin, sollen in dem Hotel zwar nicht untergebracht werden, doch andere Jugendliche, die „sonst in einen Jugendknast kämen“, würden in dem Winterparadies eine neue Heimat finden. „Der Ort ist verängstigt“, hat Trute bemerkt.

Und weil das so ist, hat die Bürgerinitiative bereits 280 Unterschriften in dem 950-Seelen-Dorf gesammelt, um das drohende Unheil noch zu verhindern. „An den Kreis“ habe die Initiative sich gewandt, und an das niedersächsische Sozialministerium sowieso. Nur da, sagt Trute, habe man von der drohenden Gefahr noch gar nichts gewusst. Nun aber wisse man auch in Hannover, dass einig Hohegeiß „so eine Einrichtung nicht haben will.“

Klaus Stiller schüttelt nur fassungslos den Kopf, wenn er von der Kampagne gegen das geplante Jugendheim hört. „Erstens ist Hohegeiß nur einer von mehreren denkbaren Standorten und zweitens sollen hier keine jugendlichen Straftäter untergebracht werden“, erklärt der Stabsleiter Kinder- und Jugendhilfe des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland (CJD). Das Jugendwerk, das Mitglied des CVJM-Verbandes ist, plane in Niedersachsen zwar eine Einrichtung, in der man „bis zu einem Dutzend schwer erziehbare Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren betreuen“ wolle, doch ob diese im Harz angesiedelt werde, sei „noch völlig unklar.“

Der Hintergrund der Planung: Eine vergleichbare Einrichtung der christlichen Organisation in Wolfsburg für zwei Dutzend Jugendliche, biete hauptsächlich berufsorientierte Maßnahmen an, könne damit aber die Jugendlichen kaum erfassen, die „weder arbeitswillig noch -fähig“ seien. Deshalb plane der CJD ein Jugendheim, in dem „die Eigenmotivation der Jugendlichen gestärkt“ und auf „Erlebnispädagogik gesetzt“ werden soll. Stiller: „Es existieren im Harz ein halbes Dutzend ähnlicher Projekte, ohne dass hier Probleme bekannt sind.“

Bislang, sagt der Stabsleiter, gäbe es weder Verträge noch den Antrag auf eine Betriebserlaubnis. Es seien nur einige „unverbindliche Vorgespräche“ mit den verkaufswilligen Hotelbetreibern und dem Braunlager Bürgermeister Stefan Grote (SPD) geführt worden. Grote befürwortet das Projekt grundsätzlich und betont, er sehe dadurch „kein großes Gefahrenpotential“.

Dass die CJD sich überhaupt mit den Hoteliers und dem Verwaltungschef in Verbindung gesetzt hat, ist für Hans-Jürgen Trute allerdings ein untrügliches Zeichen für Geheimdiplomatie. Hier sollte ganz offensichtlich „eine Entscheidung hinter dem Rücken der Bürger vorbereitet werden.“