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Archiv-Artikel

Klassik im Weinberg

Sieben nordeuropäische Konzerthäuser haben den „Nordic Concerts“-Verbund gegründet. Der will mit Sponsorenhilfe teure, renommierte Orchester zwischen Hamburg, Helsinki und Reykjavik touren lassen. Ab 2010 ist auch die Elbphilharmonie dabei

Begonnen hat alles mit einem Dänen auf Reisen. Genauer: mit dem Aufenthalt des Violinisten Jacob Soelberg in der Birminghamer Symphony Hall. 2005 arbeitete er dort im künstlerischen Stab und erlebte live, was Politiker so gern predigen: dass exquisite Konzerthallen gute Gastorchester locken – und Besucher. Wobei das Besucherinteresse kein skandinavisches Problem ist, fördern die nordeuropäischen Staaten doch seit jeher Kultur – Büchereien, Musikschulen, Opernfestivals – bis in entlegenste Regionen. Nordeuropäische Orchester gastieren weltweit, gute Konzertsäle existieren oder werden gebaut. Aber Tourneen international renommierter Orchester nach Nordeuropa – die gibt es nicht.

„Mir fiel auf, wie absurd das war: Wir exportieren unsere Orchester in alle Welt, sind aber nie Gastgeber“, sagt Soelberg. Der Grund ist schlicht: Es fehlt das Geld. Die Subventionen reichen zwar für ein solides Programm der einheimischen Orchester zu moderaten Preisen, für mehr aber auch nicht. Also hat Soelberg 2006 die Agentur „Copenhagen Artists“ gegründet, um Tourneen der New Yorker Philharmoniker, der Londoner Sinfoniker und des Amsterdamer Concertgebouw durch Nordeuropa zu ermöglichen und hierfür Geld zu akquirieren.

Sieben Konzerthäuser zwischen Dänemark und Reykjavik haben sich bereits zum „Nordic Concerts“-Verbund zusammen geschlossen; das Programm fürs erste Jahr ist bereits finanziert: 60 Prozent der Kosten tragen Sponsoren und Stiftungen, 40 Prozent die beteiligten Häuser, die so ihr Budget nicht überschreiten und weiter zivile Preise bieten können. Mit vereinter Finanzkraft will man also die teuren Orchester touren lassen – zu günstigen Bedingungen für die einzelne Halle. Kein Wunder, dass Christoph Lieben-Seutter, Intendant der künftigen Hamburger Elbphilharmonie, Hamburg flugs zur nordeuropäischen Metropole machte und dem Verbund beitrat. Von 2009 an soll die Hamburger Laeiszhalle, ab 2010 auch die Elbphilharmonie Station der „Nordic Concerts“ werden. Und abgesehen davon, dass das für die Elbphilharmonie avisierte Budget knapp bemessen ist und er sich so mehr Internationalität leisten kann, geht es Lieben-Seutter auch um das Generieren von Publikum. Denn er wird in der Elbphilharmonie 30 Prozent mehr Plätze bespielen müssen als bisher, „und das Publikum hierfür will entwickelt sein. Die Älteren, die bereits Klassik schätzen und hohe Preise zahlen können, reichen nicht aus. Wir brauchen auch Jüngere, und die sind allenfalls über moderate Preisgestaltung zu locken“, sagt er.

Auf fünf Jahre ist die „Nordic Concert“-Kooperation, die das NDR-Sinfonieorchester übrigens morgen in Oslo eröffnet, zunächst angelegt. Die Palette der beteiligten Häuser verbreitert sich kontinuierlich: Nicht nur in Hamburg, sondern auch in Reykjavik, Kopenhagen und Helsinki werden derzeit Konzertsäle gebaut: In Kopenhagen tut dies der Dänische Rundfunk, in Helsinki wird ein innenstädtisches Areal am Töölö-See endlich erschlossen. Reykjavik plant ein integriertes Konzert- und Konferenzhaus.

Dass Hamburg, Kopenhagen und Helsinki Anhänger der „Weinberg“-Fraktion sind, die Säle wie Arenen schafft, in denen das Publikum rund ums Orchester sitzt, entspricht dabei unspektakulär dem Mainstream; die Akustik besorgt in Hamburg wie Helsinki Yasuhisa Toyota. Gemeinsam ist einigen der „Nordic Concert“-Säle aber auch, was man in Hamburg gern kaschiert: Die Hallen, das räumt man auch in Kopenhagen ein, sind nur für Klassik „optimal geeignet“. Für Pop-Konzerte müssen schalldämpfende Stoffe aufgehängt werden. Und auf die Frage, welche akustische Qualität die Sitzplätze hinter dem Orchester haben werden, reagiert man in Hamburg wie Kopenhagen eher verhalten. PETRA SCHELLEN