: Jesus, Al Gore und Ypsilanti
„Welches Auto würde Jesus fahren?“ So was fragt der Journalist Franz Alt in seinem neuesten Buch, das er mit Andrea Ypsilanti und ihrem Schattenminister Scheer vorstellt. Wie ist das Klima in der SPD zu retten? Solche Fragen umgehen sie dabei lieber
AUS BERLIN ASTRID GEISLER
Auf den Tischen in der schicken Berliner Bertelsmann-Zentrale liegen bereits die Bücher aus. Sie tragen den Titel „Sonnige Aussichten – Wie Klimaschutz zum Gewinn für alle wird“ und benennen brisante Fragen. Zum Beispiel: „Wird die Menschheit überleben?“ oder „Welches Auto würde Jesus fahren?“ Vorne im Saal sitzt der Autor, Franz Alt, und wartet. Neben ihm sitzt der hessische SPD-Beinaheumweltminister Hermann Scheer. Auch er wartet. Kameras und Mikrofone sind aufgestellt. Doch niemand interessiert sich für die beiden. Denn auf dem Flur steht eine zierliche Person im schwarzen Hosenanzug, die gleich mit den beiden Herren von den „Sonnigen Aussichten“ schwärmen soll: Andrea Ypsilanti.
Vor ein paar Wochen noch müssen sich die Organisatoren diese Buchpräsentation als genialen PR-Coup ausgemalt haben: Eine designierte Ministerpräsidentin mit ambitioniertem Ökoprogramm und ein designierter Superminister für Umwelt und Wirtschaft werben für eine neue Solarfibel. Sonnige Aussichten! Nach dem verunglückten Linkspartei-Experiment der hessischen SPD und den Attacken auf die hessische SPD-Chefin aus der eigenen Partei klingt der Titel heute wie ein böser Witz.
„Frau Ypsilanti, bitte recht freundlich!“, ruft ein Fotograf. Die SPD-Landesvorsitzende gibt ihr Bestes, zeigt auf die Vormittagssonne, die draußen vom blauen Himmel strahlt: „Klappt doch heute prima!“ Blöd nur, dass sich die Journalisten so gar nicht für das schöne Wetter interessieren, sondern nur für den Zoff in der SPD, den taumelnden Kurt Beck und für die Blamage, die Ypsilanti – angetrieben von ihrem Berater Hermann Scheer – der hessischen SPD nach der Landtagswahl beschert hat. „Haben Sie Herrn Beck auf dem Gewissen?“, fragt ein Reporter. „Ich habe überhaupt niemanden auf dem Gewissen“, erwidert Ypsilanti empört.
Drinnen im Saal bemüht sich Franz Alt, Ex-TV-Journalist, ehemals CDU-Mitglied, Katholik, Hobbyzauberer und Autor diverser Bücher über Jesus, die Liebe und den Segen der Solarenergie, so zu tun, als wäre nichts. „Ich fange da an, wo Al Gore aufhört“, verkündet der 69-Jährige, als es schließlich losgeht. „Karl Marx hat eine Weltrevolution gefordert. Ich schlage in meinem Buch eher eine friedliche Evolution vor.“ Dann referiert er über den Nutzen von Solaranlagen und Windrädern und lobt die Energiewende, für die Ypsilanti und Scheer im Hessen-Wahlkampf auch mit seiner Unterstützung gekämpft haben. „Man muss ja nicht gleich Ministerpräsidentin werden“, sagt er und lächelt Andrea Ypsilanti an: „Man kann auch so in der Sache Recht behalten.“ Ein leises Raunen geht durch den Saal.
Andrea Ypsilanti schweigt dazu. Allerdings hört sich ihre kurze Rede so an, als wäre daheim in Hessen alles in schönster Ordnung und sie selbst müsse sich so wenig vorwerfen wie Hermann Scheer, der Sozialdemokrat an ihrer Seite, der inzwischen etwas gelangweilt den Kopf auf seine Hand gestützt hat. Stolz berichtet sie von den Auftritten mit Franz Alt im Wahlkampf. Und von der energiepolitischen „Bewegung“, die in Hessen nun im Gange sei. „Diese Bewegung“, sagt Ypsilanti, „ist nicht mehr zurückzudrehen.“
Alt und Scheer kennen sich seit langem, sie haben unlängst zusammen ein Ökobuch veröffentlicht und sich bereits gegenseitig mit Lob für ihre Ideen bedacht, als man noch gar nichts von Ypsilantis Herz für die Umweltpolitik wusste. Vielleicht hält sich Scheer deshalb nicht lange mit Alts neustem Buch auf, sondern redet lieber über sein Energiekonzept für Hessen.
Ob das denn jetzt nicht erledigt sei, wollen die Journalisten wissen. Nein, versichert Ypsilanti. Es wäre zwar „einfacher“ gewesen, hätte es „eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin“ gegeben. „Aber man kann auch so parlamentarische Mehrheiten für dieses Programm herstellen.“ Und was hält die hessische SPD-Landeschefin von einer Urwahl des Kanzlerkandidaten? „Dieses Thema“, schnappt Ypsilanti, „habe ich in dem Buch nicht gefunden.“ Was soll’s. Das Buch bleibt ja auch andere Antworten schuldig. Zum Beispiel die, welches Auto Jesus fahren würde.