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Private Entsorger stellen in Norddeutschland immer mehr Papiertonnen auf, weil sich mit alten Zeitungen und Kartons gutes Geld verdienen lässt. Die Kommunen versuchen, sich dagegen vor Gericht zu wehren – und warnen vor steigenden Gebühren
VON GERNOT KNÖDLER
Man kann es sich vorstellen wie beim großen Goldrausch. Im alten Kalifornien steckten die Glückssucher mit Holzpflock und Schnur ihre Claims ab. Im heutigen Norddeutschland versuchen nun Entsorgungsunternehmen, sich mit blauen Tonnen ein Stück von dem Geschäft mit der Altpapierentsorgung zu sichern.
Der Preis für die Tonne Altpapier hat sich zwischen Herbst 2006 und Herbst 2007 beinahe verdoppelt. In verschiedenen norddeutschen Städten haben deshalb private Entsorgungsfirmen begonnen, Altpapier-Tonnen aufzustellen – sehr zum Leidwesen der kommunalen Entsorger, die auf die unverhoffte Einnahmequelle nicht verzichten möchten. Einige kommunale Entsorger zogen vor Gericht, mussten sich aber in Eilbeschlüssen belehren lassen, dass das private Papiersammeln zulässig sei.
Der Streit um die alten Zeitungen, Prospekte und Kartons hat den ganzen Norden erfasst: Uelzen, Schwerin, Lübeck und zuletzt Hamburg. Im Emsland führte er sogar zu Handgreiflichkeiten (taz berichtete). Der Bürger kommt dadurch in die ungewohnte Lage, dass ihm eine Papiertonne vors Haus gestellt wird, während er bisher seine Altpapierpacken zu einem Sammelplatz schleppen musste.
In Schwerin erläuterte der Chef der Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen (SDS), Hugo Klöbzig, noch im Januar wortreich, warum es dem SDS nicht möglich sei, blaue Tonnen zu verteilen. „Eine Tonnenvielfalt in grau, braun, gelb und blau ist für die Grundstückseigentümer besonders in der City nicht vorteilhaft“, argumentierte er.
Die SDS seien für Müllentsorgung einschließlich des Altpapiers verantwortlich – ganz gleich wie sich die Preise entwickelten. Die Müllgebühren würden auf der Basis einer Mischkalkulation festgelegt, bei der Gewinne an der einen Stelle mit Verlusten an einer anderen verrechnet würden. „Für die Schweriner bleiben unterm Strich Müllgebühren, die zu den niedrigsten zählen“, behauptet Klöbzig. Eine Untersagungsverfügung der Stadt gegen den Privatentsorger Gollan Recycling wurde vom Verwaltungsgericht Schwerin zurückgewiesen: Die behauptete Quersubventionierung lasse sich nicht nachvollziehen (Az. 7 B 613/07).
In einem früheren Beschluss in ähnlicher Sache hatte bereits das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg festgestellt, dass Altpapier gewerblich gesammelt werden dürfe, „sofern dem nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegen stehen“ (Az. 7 ME 192/07). Der Landkreis Uelzen habe nicht belegen können, dass die öffentliche Abfallwirtschaft durch die private Sammelei in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt werde.
Selbst, dass sich die Privaten nur die Rosinen aus dem Geschäft pickten und ihr Engagement aufgäben, wenn es sich nicht mehr lohnte, sei vom Abfallwirtschaftsgesetz gedeckt. „Der Gesetzgeber mutet dem öffentlichen Entsorgungsträger offenkundig eine gewissen Flexibilität bei Aufbau und Unterhaltung der Abfallentsorgungsstrukturen zu“, stellte das Gericht fest.
Nichtsdestotrotz will die Hamburger Umweltbehörde ebenfalls gegen die private Konkurrenz vorgehen. „Wir werden heute Remondis noch eine Untersagungsverfügung zustellen“, sagte Sprecher Timo Friedrichs am Montag. „Wir wollen ein einheitlich funktionierendes System haben.“ Ein Sprecher der Stadtreinigung verwies auf den vorläufigen Charakter der bisherigen Gerichtsbeschlüsse und darauf, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handele.