piwik no script img

Archiv-Artikel

Soltau, das Betreuungsparadies

Das niedersächsische Soltau will mit Betreuungsangeboten bis in den Abend Familien an sich binden. Das funktioniert allerdings nur über günstige und vergleichsweise gering qualifizierte Tagesmütter

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Wenn alles gut geht, werden Soltauer Mütter und Väter ab April einen Ort haben, an dem sie ihre Kinder ab 17 bis 22 Uhr betreuen lassen können. Die Stadt stellt eine Kita zur Verfügung, wo Tagesmütter Gruppen von bis zu fünf Kindern betreuen. Die Eltern kostet das vier Euro pro Kind und Stunde, während die Stadt kostenfrei ausgeht und sich eine höhere Attraktivität für Familien erhofft. 10.000 Arbeitnehmer pendeln täglich nach Soltau – all dies sind potenzielle Einkommensteuerzahler, sobald sie ihren ersten Wohnsitz in Soltau nehmen.

Kein Wunder, dass laut Soltaus Sozialdezernent Gerhard Höveler alle Beteiligten von dem Modell profitieren, auch die Tagesmütter, die bei fünf Kindern pro Gruppe auf einen Stundensatz von 20 Euro kämen. Mit Angestellten aus dem öffentlichen Dienst, also Kitapersonal, sei dies nicht finanzierbar.

Derzeit ermittelt eine Mitarbeiterin aus dem Soltauer Familienbüro den Bedarf; laut Höveler sind bereits einige Nachfragen angekommen. Parallel will die Kommune, die eine „Sozialoffensive“ gestartet hat, Geschwisterkindern im Kindergarten die Gebühren erlassen. Dafür sind im Haushalt 20.000 Euro vorgesehen. Dass Kinder künftig von acht Uhr morgens bis 22 Uhr abends vom Kindergarten zur Tagesmutter weitergereicht werden könnten, schließt Höveler aus. Die Mitarbeiterin vom Familienbüro, eine Sozialarbeiterin, die die Abendbetreuung koordiniert, habe „das Kindeswohl im Auge“.

Was das zurzeit neuralgische Thema anbelangt, nämlich die Versorgung mit Krippenplätzen, will Soltau jetzt nachbessern: Mit der Einrichtung von 15 weiteren Plätzen – derzeit sind es 26 – werde die für 2010 angesetzte Zielmarke von 41 Plätzen schon im diesem Jahr übertroffen. In Soltau stößt die Betreuungsoffensive fraktionsübergreifend auf Zustimmung. So ist auch vom grünen Ratsmitglied Christian Wüstenberg nur Positives über Abendbetreuung und Gebührenerlass zu hören: „Wir haben keine Einwände, es ist ein Modell, das die Familien entlastet.“ Zwar sei es grundsätzlich wünschenswert, die Kinderbetreuung in stärker qualifizierte Hände zu legen, doch das sei finanziell derzeit kaum zu verwirklichen. Zum Vergleich: Laut Berechnung des Bundesfamilienministeriums kostet ein Kitaplatz pro Jahr 8.881 Euro – ein Platz bei einer Tagesmutter dagegen nur 5.471 Euro.

Gerhard Höveler verweist darauf, dass sich die Tagesmütter – und ein Tagesvater – in einem Kurs praktisch und theoretisch qualifizieren müssten, was durch den Kreis überprüft werde. Tatsächlich ist die Qualifikation der Tagespflege der einzige Wermutstropfen im allgemeinen Beifall für das Soltauer Modell. Studien des Deutschen Jugendinstituts haben ergeben, dass Eltern zwar für Kinder unter zwei Jahren Tagesmütter bevorzugen, danach ziehen sie jedoch die Betreuung in Krippen vor.

Dennoch schlägt sich auch die Expertin der niedersächsischen Grünen in Sachen Kinderbetreuung, Miriam Staudte, auf die Seite der Soltauer: „Nur so ist diese Form der Betreuung zu realisieren.“ Sie sieht vor allem Korrekturbedarf bei der Qualifizierung der Tagesmütter: Es könne nicht angehen, dass sich manche von ihnen in Kursen von 160 Stunden qualifizieren müssten, andere dagegen mit deutlich weniger ihr Zertifikat erhielten.

Dazu komme, dass das Thema auf Landesebene nicht im Kultus-, sondern im Sozialministerium angesiedelt sei: „So bekommt man den Eindruck, dass dort Parallelstrukturen aufgebaut werden.“