Noch kein Konzept zum Bahnverkauf

Privatisierungsbefürworter legen in SPD-Arbeitsgruppe noch kein Konzept zum Bahnverkauf vor. Gegner deuten einen Kompromiss an: Demnach könnten private Investoren im Güterverkehr und in der Logistiksparte zum Zuge kommen

BERLIN taz ■ Der umstrittene Teilverkauf der Deutschen Bahn AG, der noch im Herbst über die Bühne gehen soll, kommt in den zuständigen Gremien nicht voran. Am Montagabend tagte erstmals eine SPD-interne, hochrangig besetzte Arbeitsgruppe, die noch im April ein Privatisierungsmodell finden will. Entgegen allen Erwartungen legten die Privatisierungsbefürworter jedoch kein schriftliches Modell ihrer Verkaufsvorstellungen vor. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) habe nur ein allgemein gehaltenes Referat über die Notwendigkeit neuer Finanzmittel für die Bahn gehalten, sagte Arbeitsgruppenteilnehmer Hermann Scheer gestern der taz.

Bei der gut eineinhalbstündigen Sitzung am Montag seien lediglich die bekannten Positionen ausgetauscht worden, so Scheer. In der Partei tobt ein Konflikt zwischen den Privatisierungsbefürwortern um Tiefensee und Finanzminister Peer Steinbrück und den Gegnern einer Privatisierung, die einen Ausverkauf der Bahn zugunsten von Finanzinvestoren fürchten. Scheer erwartet nun, dass die Privatisierungsbefürworter bei der nächsten Sitzung des Gremiums am Freitag ihr sogenanntes Holdingmodell vorlegen werden. Dann wollen auch die Privatisierungsgegner ihren Kompromissvorschlag, das Drei-Säulen-Modell, präsentieren.

Beim Holdingmodell soll die Deutsche Bahn in zwei Bereiche aufgespalten werden: in eine Infrastruktur- und eine Verkehrsgesellschaft. Die Infrastrukturgesellschaft soll komplett im Bundesbesitz bleiben, die Transportgesellschaft, zu dem Fern-, Nah- und Güterverkehr sowie die Logistik gehören, soll jedoch mit bis zu 49 Prozent an private Investoren gehen. Damit könnten die Interessen von Bahnkunden und -beschäftigten den Renditezielen der Investoren unterworfen werden, fürchten Kritiker innerhalb und außerhalb der SPD. Der Hamburger Parteitag der Sozialdemokraten hatte im vergangenen Herbst ausdrücklich abgelehnt, dass private Investoren Einfluss auf die Bahn nehmen können.

Das Drei-Säulen-Modell, das Scheer jetzt erstmals in Grundzügen erläuterte, soll einerseits dem Parteitagsbeschluss genügen, andererseits dem Wunsch der Privatisierungsbefürworter nach frischem Kapital Rechnung tragen. Die erste Säule sei die Verhinderung von privatem Kapital in der Infrastrukturgesellschaft, damit es nicht zum Ausverkauf beim Bahnnetz komme. Säule zwei sei die Zulassung von privatem Kapital, wenn die in Form von stimmrechtslosen Volksaktien geschehe, womit die Anteilseigner keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik gewinnen würden.

Die dritte Säule ist neu: Scheer würde nun auch privates Kapital in der Logistik und auch im Personenverkehr akzeptieren, bei Letzterem allerdings nur in Form der stimmrechtslosen Volksaktie. Konkret heißt das: Die lukrative Logistiksparte und auch der Güterverkehr könnten sich privaten Investoren öffnen. „Der Güterverkehr zählt nicht zwingend zur Daseinsvorsorge“, sagte Scheer. Ein solcher Schritt sei mit dem Hamburger Beschluss vereinbar. RICHARD ROTHER