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Archiv-Artikel

Städte stöhnen über Tarife

Städtebund warnt: Abschluss im öffentlichen Dienst nur durch steigende Gebühren bezahlbar

VON ULRICH SCHULTE

Steigende Gebühren für Müll und Kitas, Kündigungen, Privatisierungen – die deutschen Städte warnen vor dramatischen Folgen der Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst. „Für die kommunalen Haushalte geht der Tarifabschluss in einigen Bereichen über die Schmerzgrenze hinaus“, sagte Roland Schäfer, der Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, am Dienstag der taz. „Für viele sind die Kostensteigerungen ohne Kürzungen bei Stellen oder Leistungen nicht verkraftbar.“

Die Bezüge für die 1,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen steigen in diesem Jahr um 5 Prozent, ab Januar 2009 um weitere 2,8 Prozent. Auf den Tarifabschluss haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften am Montag geeinigt. Besonders in personalintensiven Bereichen wie Müllabfuhr, Nahverkehr oder Krankenhäusern würden sich die Steigerungen stark bemerkbar machen, so Schäfer.

Tatsächlich ist die Situation vieler Städte alles andere als rosig. Zwar sind ihre Einnahmen laut Städte- und Gemeindebund seit 2003 um rund 30 Milliarden Euro auf 165 Milliarden Euro im Jahr 2007 gestiegen, vor allem durch sprudelnde Gewerbesteuern. Dem stehen Ausgaben von gut 160 Milliarden gegenüber.

Doch nicht alle Bürgermeister profitieren von dem Geldsegen: Während Städte wie Düsseldorf, München oder Stuttgart, in denen die Wirtschaft brummt, satte Zuwächse verbuchen und den Tarifabschluss locker schultern, bleiben Gemeinden in strukturschwachen Gebieten wie Ostdeutschland, den Küsten oder dem Saarland außen vor. „Die Einnahmen sind eben sehr ungleich verteilt“, sagt Schäfer.

Zudem drückt viele Städte eine hohe Verschuldung, alle deutschen Kommunen stehen mit 110 Milliarden Euro in der Kreide – viele müssten dringend Kredite tilgen, um auf lange Sicht Zinsen zu sparen. In Nordrhein-Westfalen operiert jede vierte Stadt mit einem Nothaushalt. Jede nicht gesetzlich vorgeschriebene Investition muss die Aufsichtsbehörde genehmigen. „Da ist die kommunale Selbstverwaltung faktisch abgeschafft“, sagt Schäfer. Das Problem: Der Tarifabschluss unterscheidet nicht zwischen Arm oder Reich.

Gerade Städte in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit werden durch ihn tiefer in die roten Zahlen getrieben, weil sie ihn über neue Kredite finanzieren müssen. Dies ist laut Städtebund bei einem Viertel der Gemeinden der Fall. Manche Kommune werde keine andere Wahl haben, „als die Gebühren und Preise für ihre Dienstleistungen zu erhöhen“, folgert auch Stephan Articus vom Deutschen Städtetag.

Nicht ohne Grund waren die Kürzungsdrohungen am Dienstag nur vage formuliert. Denn klar ist auch: Alle Finanzdezernenten haben Gehaltssteigerungen in die Budgets eingeplant, auch wenn der Abschluss nun höher liegt als erwartet. Schäfer, hauptberuflich Bürgermeister von Bergkamen, will die 2,2 Millionen Euro Mehrkosten im Personaletat erwirtschaften, etwa indem er Beförderungen verschiebt oder frei werdende Stellen nicht besetzt. „Wir hoffen, dass ohne Leistungskürzung für die Bürger zu stemmen.“