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Archiv-Artikel

Kostenpunkt bleibt unbekannt

Dass die Elbphilharmonie zehn bis 20 Millionen teurer wird, ist klar. Ob es dabei bleibt, wussten in der gestrigen Bürgerschaftssitzung weder die Realisierungsgesellschaft noch die Kultursenatorin

SCHÖNE NEUE SÄLE

Als „Weinberg“ mit Sitzen rund um das Orchester wird der große, 2150 Plätze fassende Saal der Elbphilharmonie konstruiert; die Akustik, einzurichten von Yasuhisa Toyota, wird vor allem Klassik optimal zum Klingen bringen. Bei Bedarf anzubringende schalldämpfende Stoffe sollen aber den Nachhall mindern und auch populäre Konzerte möglich machen, die für die Finanzierung dringend nötig sind. Der zweite, kleinere Saal mit 550 Plätzen ist vor allem für Kammermusik gedacht. Zusätzlich wird es im Sockel der Elbphilharmonie, dem Kaispeicher A von Werner Kallmorgen, einen Backstage-Bereich geben. PS

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Elbphilharmonie wird weit teurer werden als bislang bekannt. Doch wie hoch die Kosten steigen werden, weiß niemand, zumindest nicht die zuständige Kultursenatorin. „Wegen der Komplexität der Materie ist eine belastbare Kostenschätzung zur Zeit unmöglich“, gestand Karin von Welck (parteilos) gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft.

Diese werde wohl erst im September vorliegen und dann, kündigte von Welck an, „wird sich der Senat mit der Bitte um Nachbewilligung an die Bürgerschaft wenden“. Denn klar sei, so die Senatorin im Nebensatz, „dass wir auch beim Konzertsaal mit Steigerungen rechnen müssen, die zur Zeit nicht bezifferbar sind“.

Allerdings seien Verteuerungen bei einem solchen Projekt an der Tagesordnung: „Das ist der Unterschied zwischen Durchschnitt und Weltklasse.“ Vorige Woche hatte Hartmut Wegener, Leiter der städtischen Realisierungsgesellschaft (Rege) eine Kostensteigerung bekannt gegeben, ohne eine konkrete Summe zu nennen.

Die Rede ist von zehn bis 20 Millionen Euro. Ein Grund für die Preissteigerung des Bauvorhabens sind Probleme bei der Kühlung des Gebäudes. Ursprünglich sollte sie ausschließlich mit Elbwasser erfolgen. Doch neue, strengere Richtlinien zur Entnahme von Elbwasser verlangen ein zusätzliches Kühlsystem. Dazu müsse das Grundwasser angebohrt werden. „Diese Mehrkosten können allerdings vom vorhandenen Budget aufgefangen werden“, sagte Wegener.

Bislang sollte das Gebäude der Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron rund 241 Millionen Euro kosten. Diese Summe würde sich nun entsprechend erhöhen. Für „Unvorhergesehenes“ hatte die Bürgerschaft bereits einen Sondertopf in Höhe von zehn Millionen Euro bereitgestellt.

Darüber hinaus hatte der Baukonzern Hochtief Construction zahlreiche baubedingte Mehrkosten angemeldet. „Diese Forderungen werden derzeit bewertet und ab Mai mit dem Baukonzern im einzelnen verhandelt“, hatte Wegener erklärt. Mit einem Ergebnis dieser schwierigen und kontroversen Verhandlungen sei nicht vor September 2008 zu rechnen. „Erst dann werden wir sagen können, ob und in welcher Höhe Mehrkosten entstehen.“

Im November 2006 hatte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) verkünden müssen, dass das neue Konzerthaus deutlich teurer werden würde. Statt der 186 Millionen Euro, die eine Machbarkeitsstudie veranschlagt hatte, würden es 54,8 Millionen Euro mehr werden. Diese Gesamtsumme von 241,3 Millionen wurde „als Festpreis“ mit Hochtief vereinbart. Davon würde die Stadt 114,3 Millionen Euro tragen. Weitere mehr als 64 Millionen Euro haben Hamburger BürgerInnen für den Bau des Prestigeprojektes gespendet. Den Rest trägt Hochtief, das die Refinanzierung aus der Vermarktung der Mantelbebauung aus Hotel, Luxus-Eigentumswohnungen und Parkhaus erreichen will.

„Diese Teuerung fällt doch nicht vom Himmel“, vermutete der grüne Wirtschaftspolitiker Jens Kerstan. Rege-Chef Wegener unterstellte er indirekt Inkompetenz: „Sein Verhalten ist nicht akzeptabel.“ SPD-Kulturpolitikerin Dorothee Stapelfeldt vermutete, der GALier suche „nur ein Bauernopfer“ mit Rücksicht auf die laufenden schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen. Sie forderte umfassende Aufklärung über die neuerlichen Risiken. Und die Linke stellte „das finanzielle Abenteuer Elbphilharmonie“ gänzlich in Frage. Das Geld werde, so der Abgeordnete Joachim Bischoff, im sozialen Bereich dringlicher gebraucht.