piwik no script img

Archiv-Artikel

Alles halb so tief

Gutachter schlägt Kompromiss zur Elbvertiefung vor: „Mit zirka 30 Prozent des Eingriffs kann man das halbe Planungsziel erreichen“. Das Papier ist Gegenstand der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen in Hamburg

KNACKPUNKTE

Die Elbvertiefung gehört zu den kniffligsten Themen bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen (GAL) in Hamburg. Weil sie von Seiten der CDU für nicht verhandelbar erklärt wurde, richteten sich die bisherigen Bemühungen, einen Kompromiss zu finden, auf das geplante große Kohlekraftwerk im Stadtteil Moorburg. Im Gespräch ist, das Kraftwerk durch Auflagen für den Betreiber unattraktiv zu machen. Schwierig sind außerdem die Verhandlungen über eine gemeinsame Linie in der Schulpolitik. Hier wird darum gerungen, wie lange alle Kinder in einer Schule gemeinsam lernen sollen. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER UND SVEN-MICHAEL VEIT

Der Streit um eine abermalige Elbvertiefung könnte in einem Kompromiss enden. Bei ihren Koalitionsverhandlungen diskutieren die Hamburger CDU und die Grünen (GAL) unter anderem das Gutachten eines niedersächsischen Umweltberatungsbüros, das eine weitaus verträglichere Form des Fahrrinnenausbaus vorschlägt. Das wurde der taz aus Verhandlungskreisen bestätigt. Ob das Papier als Kompromisslinie taugt, gilt aber als offen. Die CDU bewegt sich bislang keinen Millimeter und hält an den Plänen in der bisherigen Form fest.

Die Elbvertiefung ist einer der strittigsten Punkte bei den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte sie als „nicht verhandelbar“ bezeichnet, die Grünen haben die erneute Ausbaggerung des Flusses im Wahlkampf stets abgelehnt. In zwei Gesprächsrunden haben die Unterhändler noch keine Einigung erzielen können.

Der ehrenamtlich erstellte Kompromissvorschlag läuft darauf hinaus, die Elbe nur für einen Maximaltiefgang von 14 Metern statt wie geplant 14,50 Metern auszubaggern. Bisher können Schiffe mit einem Tiefgang von höchstens 13,50 Metern den Strom befahren. Zugleich würde das Zeitfenster, in dem besonders stark beladene Schiffe mit der Flutwelle ein- und auslaufen können, nicht so stark erweitert, wie bisher vorgesehen.

„Mit zirka 30 Prozent des Eingriffs kann man das halbe Planungsziel erreichen“, sagt der Gutachter des Büros Umwelt Media Consult. Der Kniff dabei wäre, nur die Untiefen der Elbe zu beseitigen. Der Gutachter vergleicht die Sohle des Stroms mit einem Gebirge. Würden nur dessen Gipfel gekappt, müsse wenig gebaggert werden. Werde tiefer gebaggert, seien immer breitere Sockel abzutragen. Die Baggergutmenge vervielfache sich. Die nachteiligen Umweltauswirkungen nähmen mit jedem Dezimeter exponentiell zu.

Nach der laufenden Planung solle die Unterelbe zwischen null Metern im Bereich des Elbtunnels, 1,50 Metern knapp unterhalb des Tunnels und 2,40 Metern bei Otterndorf und Cuxhaven vertieft werden. Knapp 40 Millionen Kubikmeter Schlick, Sand und Geröll müssten aus dem Strom geholt werden. Nach dem Konzept von Umwelt Media Consult wären es nur zehn Millionen.

Ein solcher Kompromiss liegt aus Sicht des Gutachters sowohl im Interesse des Senats als auch der Reeder. Der Senat spare 60 bis 80 Millionen Euro Baukostenanteile. Zudem lasse sich die zusätzlich notwendige Unterhaltungsbaggerei in Grenzen halten. Der Kompromiss sei für die Bedürfnisse der Schifffahrt ausreichend und werde die Attraktivität des Hamburger Hafens nicht wesentlich beeinträchtigen. Er würde aber die Planung juristisch auf festere Beine stellen und damit die Aussichten auf einen Baubeginn schon im kommenden Jahr verbessern. „Einem Großteil des Widerstandes an der Unterelbe und den zahlreichen Einwendungen würde großenteils die Grundlage entzogen“, argumentiert der Gutachter.

„Angesichts des großen politischen Drucks für die radikale Vertiefung der Elbe ist die Idee einer nur teilweisen Vertiefung ein realistischer und überlegenswerter Kompromissvorschlag“, kommentierte Walter Rademacher vom „Regionalen Bündnis gegen Elbvertiefung“. Das Bündnis befürwortet ein Moratorium und möchte die Notwendigkeit sowie die Folgen des geplanten Fahrrinnenausbaus genauer prüfen lassen. „Die längere Beobachtung der letzten Vertiefung und weitere Untersuchungen werden mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Abkehr vom bisher massivsten Eingriff führen“, prognostizierte Rademacher.

Manfred Braasch vom Umweltverband BUND bezeichnete den Vorschlag als „fachlich belastbar“. Derzeit lehne ihn sein Landesverband aber im Grundsatz ab. BUND und WWF forderten die Grünen erneut auf, die „ökologisch hoch problematische“ Elbvertiefung zu verhindern. „Da es nur um wenige vollbeladene Containerschiffe geht und der Hafen auch ohne Elbvertiefung seit Jahren zweistellige Zuwachsraten im Containerumschlag verzeichnet, gibt es gute Argumente, das 350 Millionen Euro teure Projekt zu beerdigen“, sagte BUND-Chef Braasch.

BUND und WWF glauben, dass der Stand des Planfeststellungsverfahrens gute Chancen bietet, das gesamte Verfahren einzustellen. Es lägen rund 5.000 Einwendungen vor. Niedersachsen habe Bedenken, weil die Deichsicherheit gefährdet und das Ökosystem belastet werde. Weil die Unterlagen für den Planfeststellungsbeschluss unvollständig und fehlerhaft sind, werden sie zurzeit nachbearbeitet.