piwik no script img

Archiv-Artikel

„In Bremen muss man sich eben beweisen“

Weltkirche en miniature: Die Bremer Katholiken, eine kleine, aber prosperierende Minderheit, bekommen ein neues Oberhaupt. Der künftige Propst Martin Schomaker leitet derzeit die Priesterausbildung des Bistums Osnabrück – und bedauert die Neuformulierung der Karfreitags-Fürbitte: „Ich stehe dafür nicht zur Verfügung“

MARTIN SCHOMAKER, 46, Förstersohn aus Bohmte, ist begeisterter Doppelkopf-Spieler und Regens des Osnabrücker Priesterseminars. Im Oktober wird er Propst von Bremen

Interview: HENNING BLEYL

taz: Herr Schomaker, früher durften nur solche Katholiken nach Bremen ziehen, die einen dort noch nicht vertretenen Berufsstand ausübten. Mit welchem Grundgefühl kommen Sie in die Stadt?

Martin Schomaker: Mit einem sehr positiven. Da ich zur Gruppe der Firmspender gehöre, die den eigentlich zuständigen Osnabrücker Bischof vertreten dürfen, kenne ich schon fast alle Gemeinden meines künftigen Dekanats. In der katholischen Kirche Bremens sind 120 Nationen vertreten, was ich sehr reizvoll finde: Das ist wie die Weltkirche im Kleinen.

In Osnabrück, wo Sie derzeit arbeiten, ist die katholische Kirche sozusagen Platzhirsch. Werden Sie das vermissen?

Ich finde den Wechsel sehr spannend, weil man sich in einer Diaspora-Situation wie in Bremen eben beweisen muss: Es ist eine ganz andere Aufgabe, in einem doch sehr säkularen Umfeld den Glauben zu buchstabieren. Das heißt jetzt nicht, dass ich mich in Osnabrück nicht wohl gefühlt hätte. Ich habe ja auch schon als Kaplan im tiefkatholischen Emsland gearbeitet.

Weltweit gibt es erstmals mehr Muslime als Katholiken. In Bremen hat Ihre Kirche noch dreieinhalb Prozent Vorsprung. Wird Mission ein Hauptanliegen Ihrer Amtszeit sein?

Solche Zahlen schrecken mich nicht, aber selbstverständlich ist die „missionarische Kirche“ ein Thema. Es geht natürlich darum, das als Einladung zu gestalten und keinesfalls jemand zu überreden oder gar aggressive Techniken anzuwenden.

Trotzdem impliziert „Mission“, die eigene Religion sei die beste, andere sollen sie übernehmen. Ist das nicht eine grundsätzlich überhebliche Einstellung? Buddhisten verspüren nicht den Drang, andere zu bekehren.

Wenn sich Kirche als Gesprächspartnerin anbietet, ist das etwas Gutes. Im übrigen geht es immer darum, dass sich die Kirche durch ihre praktische Arbeit etwa im karitativen Bereich beweist. Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.

Der Papst behauptet, die Missionierung Lateinamerikas sei unblutig gewesen und von den Indios geradezu herbeigesehnt worden. Er wettert gegen „amnesty international“, erklärt Atomkraftwerke für unverzichtbar und lässt wieder für die Judenmission beten. Ist es da leicht, katholischer Würdenträger zu sein?

Den Begriff „Judenmission“ verwenden wir nicht. Johannes Paul II. sprach immer von „unseren älteren Brüdern und Schwestern“ – mit dieser respektvollen Haltung pflegen wir den Dialog. Ansonsten gilt: Was aus Rom kommt, muss man Ernst nehmen. Es ist gut, dass wir einen deutschen Papst haben, der Glaube und Vernunft in ein gutes Gleichgewicht bringt und die Themen unserer Kirche kennt. Da darf man die Dinge dann ruhig manchmal unterschiedlich sehen und bewerten.

Und wie bewerten Sie sie?

Wir haben eine sehr schöne Fürbitte im Rahmen der Karfreitags-Liturgie und ich hätte mir gewünscht, dass sie auch innerhalb der jetzt neu geschaffenen Möglichkeiten verpflichtend geblieben wäre. Ich kann akzeptieren, dass andere diesen Ritus zelebrieren. Aber ich selbst stehe dafür nicht zur Verfügung. Auch in der von mir verantworteten Priesterausbildung spielt die neue Form der Karfreitags-Liturgie keine Rolle. Ich persönlich fand es übrigens sehr schön, dass der Papst 14 Tage nach seiner Brasilien-Reise gesagt hat, dass die Missionierung Lateinamerikas auch dunkle Seiten beinhaltet. Das zeigt einen Lernprozess.

Halten Sie es konkret für notwendig, angesichts der behaupteten Missionsbedürftigkeit der Juden verstärkt auf die Bremer Jüdische Gemeinde zuzugehen?

Es darf auf keinen Fall eine christliche Judenmission geben, das ist gesetzt und klar.

Ich meinte Kontakt im Sinne von Schadensbegrenzung.

Die praktische Solidarität vor Ort ist in solchen Zeiten in der Tat sehr wichtig. In Osnabrück, wo ich Mitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit bin, haben wir der Israelischen Kultusgemeinde gerade Ersatz-Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, weil deren Synagoge renoviert wird. Dabei haben wir auch darauf geachtet, dass die Entfernung zur Wohnung des Rabbiners nicht weiter ist, als es das Gebot der Sabbat-Heiligung zulässt. Aber das alles war schon lange vor den jetzigen Diskussionen geplant.

Die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück haben sich die Bremer Katholiken unter einander aufgeteilt, mit der Lesum als Grenzmarke. Ist das langfristig ein befriedigender Zustand?

Derzeit sehe ich keine Chancen, da etwas zu tun. Die letzte Veränderung der Bistumsgrenzen gab es Anfang der Neunziger, als auch das Erzbistum Hamburg errichtet wurde. Aber da gab es die Schaffung der neuen Bundesländer als Hintergrund.

Im Gegensatz zum Bremer Norden, der zu Hamburg gehört, gab es in Ihrem künftigen Dekanat bislang keine Kirchenschließungen. Halten Sie das langfristig für durchhaltbar?

ST. HANSEATUS

Fast 80 Prozent der Bremer Christen sind evangelisch, doch im Gegensatz zur kräftig schrumpfenden protestantischen Kirche steigt die Zahl der katholischen Hanseaten seit vier Jahren an. Hintergrund ist die Zuwanderung ausländischer Katholiken – die mit Abstand bestbesuchten Gottesdienste sind die in polnischer Sprache. Nach einer langen Isolationsphase, in der der Katholizismus im Bremer Bürgertum sehr verpönt war, krönte ein vor vier Jahren geschlossener Staatsvertrag zwischen Hansestadt und Vatikan die Integrationsbemühungen. Gleichwohl gab es anlässlich der feierlichen Unterzeichnung prinzipielle Kritik wegen der Verfasstheit des Vatikans als absolute Monarchie. Hamburg schloss erst 2006 einen Vatikan-Vertrag. HB

In den nächsten Jahren wird es keine Schließungen geben, aber langfristig wage ich keine Prognose. Unsere finanzielle Situation in den nächsten Jahrzehnten steht noch in den Sternen.

So schlecht sieht es ja gar nicht aus: Seit genau 201 Jahren ist die katholische Kirche in Bremen gleichberechtigt, besonders die vergangenen Jahre waren sehr erfolgreich. Es gibt ein repräsentatives Gymnasium in der Innenstadt, einen Staatsvertrag zwischen Bremen und dem Vatikan und die erste Klostergründung in Bremen seit dem Mittelalter.

Das stimmt. Allerdings haben auch wir eine wachsende Tendenz bei den Kirchenaustritten, die nur durch den Zuzug katholischer Migranten kompensiert wird.

Ihr Vorgänger hat sich dafür stark gemacht, dass Musliminnen auch mit Kopftuch unterrichten dürfen. Sehen Sie das genauso?

Bislang musste ich mich da nicht positionieren und ich werde erst einmal die genaue diesbezügliche Haltung im Dekanat Bremen erkunden. Persönlich würde ich sagen, dass ein Kopftuch als Ausdruck religiöser Identität auf jeden Fall zu akzeptieren ist – wenn es dem Selbstverständnis seiner Trägerin entspricht und nicht Zeichen ihrer Unterdrückung ist.

Welche eigenen Akzente wollen Sie als Propst setzen?

Ich komme ohne fertigen Plan nach Bremen. Worauf ich aber auf jeden Fall Wert legen werde, ist die Einbeziehung aller Haupt- und Ehrenamtlichen und natürlich der Gemeindemitglieder in gemeinsame Entscheidungsprozesse. Ich habe das Glück, dass der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zu Beginn meiner Amtszeit eine Visitation des Dekanats Bremen macht. Das gibt es nur alle acht Jahren. Er wird mit allen unseren Hauptamtlichen Einzelgespräche führen, das ist schon in der Vorbereitung ein sehr guter Anlass für eine gemeinsame Standortbestimmung.