: Jukebox
Remember: Es ist die Hülle und nicht der Song
Das Schallplattenhüllenhochhalten ist eine Kulturtechnik, die vor allem von Jungs ausgeübt wird, weil die die Sammler sind, die draußen nach den bunten Schätzen jagen, um sie dann daheim in der Höhle den anderen Jungs wie im Quartettspiel als den PS-stärkeren Trumpf unter die Nase zu reiben. „Was, die kennst du nicht?“, spricht es wortlos mit (jetzt bitte das Beispiel nebenan ins Auge nehmen). Wie jede Kulturtechnik aber stützt sich auch das Schallplattenhüllenhochhalten auf einen Akkulturationsprozess. Was nur heißt, dass so eine Hülle nicht voraussetzungslos ist oder gar schon immer in der Welt war, seit sich die ersten Höhlenmenschen gegenseitig etwas vorbrummten.
Die Plattenhülle, auch Album Cover oder – schöner – Plattentasche: Sie ist der treueste Begleiter des musikalischen Vinylzeitalters. Weil davor, als man die Musik in Schellack oder andere Materialien presste, war es eben so, dass man den Tonträger zu seinem Schutz (genau das ist der eigentliche Zweck einer Plattentasche) bestenfalls in robustes Packpapier steckte. Meist war das unbedruckt, manchmal mit dem Namen der Plattenfirma versehen und visuell so ein graues Entlein, das man sich wirklich nicht herausgucken würde. Musste man aber, als der Schallplattenhandel auf Selbstbedienung umstellte, Anfang der Sechziger. Das brachte Schwung in die Schallplattenhüllengestaltung. Jetzt erst entwickelte sich der Drang zum Immerneuen auf dem Cover, um nur ja aufzufallen. Und gleichzeitig die Standardisierung der Kaufanreize, um nur ja nicht abzufallen gegenüber der Konkurrenz, damit etwa ein Metal-Fan seine Musik auch gleich findet, selbst wenn mal ein anderer Bandname auf dem Cover steht. Mit ein wenig Übung kann man allein am Cover sehen, welcher Art die darin enthaltene Musik ist, ob gut oder scheiße, und das ist nun ja auch deswegen interessant, weil wir uns gerade wieder in so einer Umbruchzeit befinden, in der das Cover abgeschafft wird, weil man es als Verpackung gar nicht mehr braucht im digitalen Musikverkehr.
So ist das Plattenhüllenhochhalten fast schon eine sentimentale Erinnerung, der der Plattensammler und FSK-Musiker Thomas Meinecke nun im HAU 2 nachgehen will, jeden zweiten Monat mit einem Gast am Plattenspieler, um anhand von Hüllen und Musik genau darüber zu sprechen. Was sehr amüsant ist. Zum Auftakt am Dienstag (20 Uhr) sitzt ihm Daniel Richter zur Seite: Künstler, Schallplattencovergestalter und Betreiber des Buback-Labels. THOMAS MAUCH