: Provinzzulage für den Landarzt
Wenn keiner aufs Land will: In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bieten Kommunen und Kassenärztliche Vereinigung Umsatzgarantien, um Ärzte in die Dörfer zu locken
Von DANIEL KUMMETZ
Sie bekommen Umsatzgarantien, Investitionshilfen oder eine Art Begrüßungsgeld – wenn die Unterversorgung in einem Gebiet droht, dann werden Kassenärztliche Vereinigung (KV) und Kommunen erfinderisch, um jungen Ärzten die Praxisgründung auf dem Land zu erleichtern. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zahlen einzelne Kassenärztliche Vereinigungen bereits, um Ärzte zu gewinnen.
So erhielten zwei Mediziner in Gifhorn und Wolfenbüttel für die ersten drei Jahre Umsatzgarantien von der KV – sie zahlt die Differenz zum Landesdurchschnitt, wenn die Mediziner mit ihren Umsätzen darunter bleiben. In der gleichen Region dürfen zwei Ärzte weiterarbeiten, obwohl sie über 68 sind, eigentlich die Altersgrenze für Mediziner. Doch es fanden sich keine Nachfolger.
In der Ärzteschaft rücken starke Jahrgänge aufs Rentenalter zu, Jungärzte sind nicht so zahlreich für die Arbeit auf dem Land zu begeistern. „Die Versorgungslage ist zur Zeit gut“, sagt Detlef Haffke von Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Niedersachsen. Damit genau so viele Ärzte wie heute auf dem Land tätig sind, muss die KV allerdings neue 1.600 Landärzte gewinnen. „Das können wir wahrscheinlich nicht“, sagt Haffke.
Eine Unterversorgung erwartet er dennoch nicht – die liegt erst dann vor, wenn ein Viertel weniger Ärzte pro Einwohner in einem Gebiet arbeiten als geplant. Um das zu verhindern, benötigt die KV bis 2015 lediglich 430 neue Hausärzte. „Das bekommen wir hin“, sagt Haffke. Die KV organisiert die ärztliche Versorgung, kann aber ihre Mitglieder nicht dazu zwingen aufs Land zu gehen.
„Wenn unsere Prognose so eintritt, dann sind längere Anfahrtswege und Wartezeiten die Folge“, sagt Haffke. „Dann muss man aus manchem Dorf in die Kreisstadt zum Arzt fahren.“ Hohe zeitliche und finanzielle Belastung, viel bürokratische Arbeit, Ärger mit Regressforderungen – so begründen die Kassenärztlichen Vereinigungen die geringe Begeisterung unter Medizinern für die hausärztliche Arbeit.
Mit den Folgen der alternden Ärzteschaft haben auch die anderen beiden Flächenländer im Norden zu kämpfen. Während in Schleswig-Holstein noch viele Bereiche für Arztniederlassungen gesperrt sind, die Planungszahlen also voll erreicht werden, könnten in Mecklenburg-Vorpommern noch über 100 Mediziner anfangen, ohne dass die Sollzahl überschritten wird. Aber selbst in Mecklenburg-Vorpommern vermelden die KV noch keine Unterversorgung.
In dem nordöstlichen Bundesland sind ein Viertel der rund 1.100 Hausärzte über 60 Jahre alt. Ausnahmen von der Altershöchstgrenze sind jedoch nur bei drohender Unterversorgung erlaubt. In Schleswig-Holstein tritt das Problem etwas später ein, hier ist derzeit die Hälfte der Ärzteschaft über 50 Jahre alt.
Die kassenärztlichen Vereinigungen versuchen nun die Landpartie für die Ärzte attraktiver zu machen: Neben finanziellen Anreizen bauen sie die Notdienstpläne um, investieren in die Ausbildung und machen an den Universitäten Werbung für eine Niederlassung auf dem Land.
In Schleswig-Holstein werden Ärzte nun auch in das „MarktTreff“-Konzept integriert. Dieses hat die Landesregierung ursprünglich initiiert, um Supermärkte in kleinen Dörfern zu halten. Ziel ist es, eine Nahversorgung zu garantieren. In einem Pilotprojekt werden dort nun in einem solchen Markt-Treff in Beidenfleth (Kreis Steinburg) auch Räume für eine Arztpraxis mit eingeplant.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen den drohenden Ärztemangel zugleich zum Appell in eigener Sache – und fordern mehr Geld von der Politik.