: Cool geblieben im Dialog der Kulturen
Die singende Finanzpolitikexpertin: Anja Hajduk (44), grüne Bundestagsabgeordnete, Landesparteichefin in Hamburg und demnächst dort Senatorin in der schwarz-grünen Koalition FOTO: BONESS/IPON
Die Frau kann echt nerven. Mit an Staubtrockenheit grenzender Präzision pflegt Anja Hajduk ihre Worte zu wählen im offiziellen Gespräch – und in politischen Verhandlungen erst recht. „Akribisch“ sei sie, grinsen Parteifreunde, „unermüdlich penetrant“, seufzt ein Hamburger Christdemokrat, der seit Mitte März fast 100 Stunden mit Hajduk an einem Tisch sitzen durfte. Oder musste.
Denn wenn die Parteivorsitzende der Grün-Alternativen Liste (GAL) nach fünf, sechs oder sieben Stunden Verhandlungen in ihren Akten blättert und sagt, „ach, da hab ich noch was, da müssen wir noch drüber sprechen“, dann rollt mancher auf der anderen Seite des Tisches schon mal heimlich mit den Augen. Dass die Grünen noch diskursfreudiger sind als befürchtet, haben Hamburger CDUler bereits eingeräumt, dass sie und allen voran Hajduk zudem faktensicher und detailversessen sind, geben sie nur hinter vorgehaltener Hand zu. Schwarz-Grün ist, das zeigt sich jetzt in Hamburg, auch ein Dialog der Kulturen.
Und den führt die Diplompsychologin im Team mit der Fraktionsvorsitzenden Christa Goetsch mit großem Geschick. Die beiden Frauen sind die unumstrittenen Chefinnen bei den Grünen an der Elbe, obwohl oder eher weil sie so unterschiedlich sind. Die 55-jährige Lehrerin Goetsch – ein Temperamentsbündel, dem niemand übel nimmt, wenn in der Hitze des Gefechts mal eine Formulierung danebengeht – wird in ihrer Partei geliebt; die elf Jahre jüngere Hajduk – ein Muster an Fleiß, Beharrlichkeit und Disziplin – wird hoch geschätzt und respektiert. Dem schwarz-grünen Senat, wenn der denn dieser Tage Realität werden sollte, werden beide angehören: Goetsch als Bildungssenatorin und Stellvertreterin von CDU-Bürgermeister Ole von Beust, Hajduk wird das Ressort Stadtentwicklung und Umwelt übernehmen oder die Arbeits- und Sozialbehörde.
Weder bei CDU noch GAL gibt es Zweifel, dass sie sich in beide Ämter rasch einarbeiten würde. So ist sie eben. Und deshalb hatte Hajduk sich von 1997 bis 2002 in der Hamburger Bürgerschaft und seitdem im Bundestag auf ein Thema spezialisiert, von dem sie anfangs „kaum einen Schimmer hatte“, wie sie seinerzeit zugab: Haushaltspolitik. „Geld ist eine Frage von Macht- und Einflussverteilung“, lautet die für Hajduk so typische Begründung.
Im privaten Umgang kann die Frau mit der klassischen Gesangsausbildung fast überraschend launig und humorvoll sein. Und als die GAL vorigen September im Schmidt-Theater an der Reeperbahn ihren 25. Geburtstag feierte, stand die Vorsitzende in Abendkleid und Federboa auf der Bühne. Und sang Sinatras Evergreen „I did it my way“. SVEN-MICHAEL VEIT