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Archiv-Artikel

Beusts Stellvertreterin gibt auf

Affärengeplagte Hamburger Sozialsenatorin Schnieber-Jastram (CDU) will einem schwarz-grünen Senat nicht angehören. Koalitionsvertrag soll morgen Abend unterzeichnet und veröffentlicht werden

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) gibt auf. Sie werde dem nächsten Senat in der Hansestadt nicht wieder angehören, erklärte sie am Dienstag im Gespräch mit der taz. „Ich bin ja schon fast sieben Jahre im Amt, das ist eine lange Zeit“, sagte die 61-Jährige, die zugleich Senatorin der Mammutbehörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz ist. Mit Bürgermeister Ole von Beust habe sie diesen Schritt bereits vor eineinhalb Jahren besprochen.

„Keine Rolle“ spiele deshalb für sie der Umstand, dass die nächste Regierung in Hamburg wahrscheinlich eine schwarz-grüne sein wird und somit dem CDU-Koalitionspartner Grün-Alternativen Liste (GAL) der Posten der stellvertretenden Ministerpräsidentin zusteht. „Die wichtige Frage ist für mich, ob ich noch weitere vier Jahre Senatorin sein will“, sagt sie: „Und die beantworte ich mit Nein.“

Zumal ihre Amtszeit „anstrengende Phasen“ gehabt habe, wie sie mehrere Affären und Skandälchen umschreibt. Gleich zwei Parlamentarische Untersuchungsausschüsse befassten sich mit dem umstrittenen Jugendknast Feuerbergstraße – der unter Schwarz-Grün geschlossen werden wird – und der so genannten Protokollaffäre des Senats, bei der es vor allem um den Umgang mit vertraulichen Unterlagen in Schnieber-Jastrams Sozialbehörde ging.

„Meine Lebensplanung sieht nun ein paar andere schöne Dinge vor“, sagte die mit einem Arzt verheiratete Mutter zweier erwachsener Kinder. 2001 wurde sie Senatorin nach sieben Jahren im Bundestag und acht in der Hamburger Bürgerschaft. Jetzt wolle sie ihr neues Bürgerschaftsmandat annehmen, auch stellvertretende Vorsitzende der Hamburger Union wolle sie vorerst bleiben.

Damit werden nur vier Senatsmitglieder, die im Februar 2004 in den mit absoluter Mehrheit allein regierenden CDU-Senat berufen wurden, auch der nächsten Hamburger Regierung angehören: Bürgermeister Ole von Beust und CDU-Parteichef Michael Freytag, der als Bau- und Umweltsenator begann und Anfang 2007 ins Finanzressort wechselte sowie die parteilosen Karin von Welck (Kultur) und Udo Nagel (Inneres).

Der amtierende Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU) wird bleiben, wenngleich er wahrscheinlich den Posten von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall übernimmt. Der 67-jährige Christdemokrat tritt aus Altersgründen nicht mehr an. Ob der wenig glückliche Justizsenator Carsten Lüdemann bleiben darf, der vor zwei Jahren den Skandalsenator Roger Kusch ablöste, hängt auch von den laufenden Koalitionsverhandlungen mit den Grünen ab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die CDU dieses Ressort opfert.

Nachfolger von Schnieber-Jastram dürfte der bisherige CDU-Staatsrat Dietrich Wersich werden, der auch bei den Grünen hohes Ansehen genießt. Es sei denn, dass die GAL im Koalitionspoker doch dieses Ressort für ihre Vorsitzende Anja Hajduk beansprucht (siehe Porträt links).

Die Verhandlungen zwischen CDU und GAL wurden am Dienstagnachmittag im Nobelhotel Grand Elysee am Bahnhof Dammtor mit der elften Runde fortgesetzt. Die bislang am Abend üblichen kurzen Pressestatements entfallen. Am morgigen Donnerstagabend soll der fertige Koalitionsvertrag unterzeichnet und veröffentlicht werden. Nach Zustimmung durch Parteitage soll die erste schwarz-grüne Landesregierung Deutschlands am 7. Mai im Parlament gewählt werden.

Neben der Postenverteilung sind die Elbvertiefung und das von Vattenfall beantragte Steinkohlekraftwerk Moorburg die größten noch unklaren Knackpunkte in den Verhandlungen. Nach Informationen der taz haben Unterhändler von CDU und GAL am Montagabend erneut ein Gespräch mit Vattenfall-Chef Hans-Jürgen Cramer geführt, ohne den Konflikt bereinigen zu können.

Im Koalitionsvertrag dürfte deshalb eine Kompromisslösung formuliert werden: Beide Partner lehnen das Kraftwerk „politisch“ ab, die künftig GAL-geführte Umweltbehörde versagt im Juni die Genehmigung und Vattenfall klagt sich durch die Instanzen der Verwaltungsgerichte – mit offenem Ausgang.

Offen bleibt dabei auch, ob die grüne Basis auf der Mitgliederversammlung am 27. April die Verschiebung der Entscheidung aus dem politischen in den juristischen Raum akzeptiert.