: Scheinväter bekommen mehr Rechte
Bundesgerichtshof stärkt Ansprüche auf Unterhaltsregress bei „Kuckuckskindern“. Zwang zum Vaterschaftstest
BERLIN taz ■ Es ist der Albtraum jedes Familienvaters: Nach langen Ehejahren erfährt der Ehemann, dass er nicht der leibliche Vater seiner Kinder ist. Nach der Scheidung verlangt er von seinem Rivalen, dem vermutlich biologischen Vater der Kinder, nun Unterhaltsrückzahlungen für die Kinder. Doch die Mutter und ihr Liebhaber verweigern einen Vaterschaftstest.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Donnerstag kann der mutmaßlich biologische Vater nun zu einem Test gezwungen werden. „Wir begrüßen die Entscheidung, weil sie verdeutlicht, dass die Möglichkeit zur Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft wichtig ist“, sagt Rüdiger Meyer-Spelbrink, Bundesgeschäftsführer von „Väteraufbruch für Kinder“.
Im vorliegenden Fall hatte die Ehe 15 Jahre bestanden. Die drei Kinder kamen in der ersten Hälfte der 90er-Jahre zur Welt. In einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren hatte das Familiengericht bereits 2003 festgestellt, dass der Ehemann und jetzige Kläger nicht der biologische Vater der drei Kinder ist. Im darauf folgenden Jahr wurde die Ehe geschieden. Die Mutter zog mit ihrem Liebhaber zusammen. Der betrogene Exehemann strengte nun einen sogenannten Scheinvaterregress an: Er beanspruchte geleistete Unterhaltszahlungen für die Kinder von seinem Rivalen zurück.
Das Problem: Die Mutter musste erst einer Vaterschaftsfeststellung zustimmen, so dass ihr neuer Lebensgefährte zu einem Test gezwungen werden konnte, der seine Vaterschaft eindeutig belegt hätte. Die Mutter lehnte diese Vaterschaftsfeststellung jedoch kurzerhand ab – wohl auch, um ihren neuen Lebensgefährten vor drohenden Regresszahlungen zu bewahren.
Diese Situation aber würde „den Scheinvater faktisch der Willkür der Kindesmutter und des wahren Erzeugers ausliefern und ihn rechtlos stellen“, erklärte der Bundesgerichtshof nun und verwies den Fall jetzt zur Klärung der Vaterschaft an das Oberlandesgericht Celle zurück.
Die jetzt vom Bundesgerichtshof bemängelte rechtlose Situation für den betrogenen Ehemann konnte entstehen, weil durch eine Gesetzreform von 1998 der Einfluss der Jugendämter in Sachen Vaterschaftsfeststellung beschnitten worden war, um die „Eigenverantwortung“ der Mutter zu stärken. Dieses Recht auf „Eigenverantwortung“ hat der Bundesgerichtshof jetzt wieder eingeschränkt.
Die neue Entscheidung „schützt in bestimmten Konstellationen die Scheinväter“, erklärt Claus Marten, Familienrechtsanwalt beim Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV). Wenn die betrogenen Väter mit ihren Rückforderungen erfolgreich sind, kann die Sache teuer werden: „Für ein zehnjähriges Kind kann sich der Unterhalt auf 30.000 Euro belaufen“, so Meyer-Spelbrink. Allerdings gebe es „nur wenige Fälle von Regress, so viel wir wissen“, meint der Geschäftsführer des „Väteraufbruchs“, einem Verein, der Männer auch in Umgangs- und Unterhaltsfragen unterstützt.
Der klassische Fall der „Kuckuckskinder“ sei eher der, dass Männer, die etwa nach einer Affäre jahrelang Unterhalt zahlen und ihr Kind gar nicht richtig kennen, plötzlich einen Vaterschaftstest machen, um herauszufinden, ob sie auch wirklich der Erzeuger sind, schildert Marten. Ein kürzlich inkraft getretenen Gesetz hat es für Männer erleichtert, bei Zweifeln einen Vaterschaftstest einzufordern.
Wie hoch der Anteil von „Kuckuckskindern“ ist, die gar nicht von ihren gesetzlichen Vätern abstammen, ohne dass diese davon wissen, ist allerdings nach wie vor unklar. Eine Metastudie über genetische Verwandtschaftsverhältnisse in Europa und den USA an der John Moores University in Liverpool hatte ergeben, dass weniger als vier Prozent aller Kinder nicht von ihren gesetzlichen Vätern abstammten, wobei darunter auch Kinder waren, die von den Müttern nach einer Trennung irrtümlicherweise den falschen Vätern zugeschrieben wurden.BARBARA DRIBBUSCH