: berliner szenen Hexen unter sich
Bank und Ballett
Meine Bank, dieses fusionierte bayerische Geldinstitut, spinnt. Am Samstag kam die Post, worin man mir mitteilt, dass ich mein Konto auflösen will und man es daher zur Löschung vorgemerkt hat. Was für eine Welt – nie im Leben habe ich das angeleiert. Dann heißt es noch, ein R. A. aus Schöneberg, ebenfalls Kunde der Bank und außerdem im Telefonbuch stehend, habe mein Saldo ausgeglichen. Dabei war und bin ich im Guthaben. Will der etwa Geld? Ich vermute erst Trickbetrug, dann den Racheakt eines früheren Filialleiters, zu dem ich rückblickend ein gestörtes Verhältnis habe.
Aber dann, im Ballett in der Deutschen Oper, in „La Sylphide“, der romantischen Elfengeschichte, dämmert es mir. Dort gibt es die böse Märchenhexe Madge, furios getanzt vom sonst meist den Liebhaber gebenden Michael Banzhaf. Seine Madge ist eine senile Hippiebraut: expressive Gestik, wildes Körpergeschrei, Haare wie ein Besen, niemals kennt sie ein Pardon. Sie ist die wandelnde Rache an der Zivilisation und zerstört mordlüstern, was lieb oder liebend ist. Die Sylphide, ein Geisterwesen, ist ihr schönstes Opfer: Sie bringt die Hexe mit einem vergifteten Schal um. Den Lover James knöpft sie sich dann noch ganz brutal solo vor: Er stirbt an gebrochenem Herzen, während die Seele seiner Geliebten – also ihr wunderzartes, ballettöses Körperchen – durch die Lüfte zieht. Madge gibt dazu ein grausam stummes Hohngelächter von sich, wie man es nur im Ballett sehen kann. Vorhang.
Da fällt bei mir der Groschen: Meine Bank ist wie Madge. Man müsste mal ein Ballett darüber schreiben, sogar eins mit Happy End: Kurz darauf schickt die Bank einen Blumenstrauß zur Entschuldigung. Ein echter Triumph der Zivilisation.
GISELA SONNENBURG