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Archiv-Artikel

Und wer steht draußen? Icke!

City-Marketing gibt’s schon länger: Das Festival „Achtung Berlin“ zeigte Berlinwerbefilme der letzten Jahrzehnte

Ingrid Steeger hat dann doch niemand vermisst. Auch wenn man zunächst schon ein bisschen enttäuscht war, als es hieß, „Frau Ingrid Steeger aus München“ sei „aus familiären Gründen“ verhindert. Woraufhin ein Grußwort der deutschen Trashikone verlesen wurde, in dem es etwa heißt: „Berlin ist sehr vieles, vor allem sehr einzigartig.“ Ein Grußwort von – Ingrid Steeger! Das hätte auch ein persönlicher Auftritt nebst Rauhaardackel Adelaide kaum toppen können.

So eröffnete Steeger mit ihrem Grußwort, dem noch ermüdend viele weitere folgen sollten, den Plattitüdenreigen des Abends im Rahmen des „Achtung Berlin“-Filmfestivals. Die Retrospektive „B wie Berlin – Filme aus 60 Jahren Berliner Stadtwerbung“ belegte dann eindrucksvoll, dass es Produkte gibt, bei denen auch der kreativste Kreative an seine Grenzen stößt: Waschmittel gehören dazu, Versicherungen, Joghurts – aber eben auch Städte. Das liegt wohl daran, dass diese Produkte entweder zu abstrakt oder einander zu ähnlich sind. Berlin hat gleich beide Probleme – das eine schon immer, das andere seit 1989. So zynisch das klingen mag: Mit dem Fall der Mauer hat Berlin sein Alleinstellungsmerkmal unter den Metropolen dieser Welt verloren.

Aus der Zeit nach der Wende wurden bei der Eröffnung der von Christine Kisorsy kuratierten Retrospektive am Freitag nur zwei Filme gezeigt, „Rhythmus Berlin“ (1992) und „Experience Berlin, Capital of Germany“ (2004). In beiden fällt kein Wort – im Gegensatz zu den überaus geschwätzigen Filmen der Vorwendezeit. Während diese Sprachlosigkeit im Fall von „Rhythmus Berlin“ der zögerlichen Annäherung von Ost und West geschuldet zu sein scheint, der Suche nach einer gemeinsamen Sprache, soll diese Entscheidung in „Experience Berlin“ – wie der englische Titel schon andeutet – die internationale Verwertbarkeit optimieren. Der Film präsentiert Berlin als geschichts- und gesichtslose Zentrale des Hedonismus, als Reiseziel für den Easy-Jet-Set, wo man wunderbar shoppen, trinken, tanzen und relaxen kann. Man könnte richtig schlechte Laune kriegen angesichts dieser „urbanen Lebenswelt metropolitaner Erlebniskultur des neuen Jahrtausends“ (Presseinfo). Doch es ist der letzte Film, und man hat zum Glück noch gute Laune von den vorigen – wie „Berlin für seine Gäste“ (1968), in dem ein sprechendes Berliner Bärchen auftritt sowie eine junge Berlin-Urlauberin, die sich – Schockschwerenot! – die Achseln nicht rasiert hat, wie eine Zuschauerin halblaut anmerkt. „Das Beste, was wir Ihnen bieten können in unserer aufblühenden sozialistischen Hauptstadt, sind Ihre optimistischen Gastgeber“, fasst der Sprecher all die Bilder von strahlenden, arbeitsamen und vor allem Service-orientierten (!) DDR-Bürgern zusammen. Die Zeitreise geht weiter – auf die andere Seite des „antiimperialistischen Schutzwalls“. „Hallo Berlin“ (1982) informiert darüber, dass man Ostberlin vom Funkturm aus besichtigen kann oder im Rahmen einer Stadtrundfahrt – „wenn man denn will“. Es klingt wie eine Reisewarnung, gesprochen von Harald Juhnke.

In „Hallo Berlin“ hat dann auch endlich Ingrid Steeger ihren Auftritt. Als Plakatkleberin radelt und berlinert sie sich durch ihre Stadt. Beinahe penetrant ist der Film um Leichtigkeit bemüht – wie übrigens auch schon „Weltstadt in action“ (1971): „Berlin ist durchgehend geöffnet. Okay, alright, also hinein ins Vergnügen!“ Um dem potenziellen Gast zu zeigen, wie locker es hier zugeht, „fröhlich und feucht und mit zünftiger Musike“, zeigt Steeger viel nackte Haut. Auch in den anderen Imagefilmen sind andauernd entblößte Brüste zu sehen – fast so, als habe man die Einschränkungen der Freizügigkeit im geteilten Berlin durch demonstrative Freizügigkeit kompensieren wollen. DAVID DENK