kabinenpredigt : Zu viel Toleranz im Antidopingkampf
Florian Busch gewährte vergangene Woche auf einer Pressekonferenz den Reportern einen Einblick in seine Wohnung. Der 23-jährige Eishockeyspieler der Eisbären Berlin berichtete, er habe dort überall Zettel ausgelegt, auf denen die Worte „Verantwortung übernehmen“ stünden. Schon lange hätten ihm viele geraten, endlich erwachsen zu werden, erzählt Busch, doch er habe stets entgegnet: „Nein, ich bin lieber Kind. Erwachsen werden kommt später.“
Eine putzige Anekdote. Aber der Hintergrund der Geschichte, warum sich Busch in der Vergangenheit in einem Alter wähnte, in dem man noch nicht strafmündig ist, und warum er jetzt plötzlich mit Hilfe eines mahnenden Blätterwaldes zur Vernunft gelangen will, ist ernsthafterer Natur.
Wie erst letzte Woche bekannt wurde, verweigerte der Nationalspieler am 6. März einem Kontrolleur der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) die Urinprobe, weil er angeblich gerade mit seiner Freundin essen gehen wollte. Zwar sah Busch seinen Fehler ein und stellte sich wenige Stunden später der Dopingprobe, doch nach dem Code der Nada müsste er für seine erstmalige Verweigerung mindestens ein Jahr gesperrt werden. Theoretisch hätte der Sportler nämlich die Zeit bewusst geschunden haben können, um einen positiven Dopingbefund zu verschleiern. Busch sagt, das Ganze sei nichts weiter als eine kindische Trotzreaktion gewesen. Und auch der Deutsche Eishockeybund (DEB) möchte die Episode möglichst rasch als naive Torheit zu den Akten gelegt wissen.
Man braucht den Spieler für die Weltmeisterschaften im Mai. So schätzte sich der Verband glücklich, selbst über den Fall richten zu dürfen. Das Urteil lautete: 5.000 Euro Geldstrafe und 56 Stunden gemeinnützige Arbeit in einem Verein anstatt einer Sperre.
Es ist gut möglich, dass Busch ein Opfer seiner Naivität geworden ist. Die Naivität des DEB hingegen ist verwunderlich. Mit dem milden Strafmaß signalisiert man: Sportliche Interessen stehen über dem behaupteten Null-Toleranz-Kampf gegen Doping.
Die Nada und die SPD-Bundestagsfraktion haben bereits gegen das Urteil protestiert. Der DEB wird sich in den nächsten Wochen weiter mit dem Thema beschäftigen müssen, das er so eilig vom Tisch haben wollte. JOHANNES KOPP