: Der Glaube ans Unmögliche
Benjamin Starke hat einen Traum: Bei den Deutschen Meisterschaften will er sich doch noch für einen Einzelstart bei den Olympischen Spielen in Peking qualifizieren. Das ist allerdings kaum noch drin
VON JOHANNES KOPP
Meter für Meter kraulte sich Benjamin Starke mühsam nach vorne. An der 50-Meter-Wendemarke lag er noch auf dem vorletzten und siebten Platz. Nach 150 Metern war er Sechster. Doch dann folgte ein furioser Endspurt. Letztlich schlug Starke beim 200-Meter-Freistil-Wettbewerb der Deutschen Schwimmmeisterschaften gar als Dritter an. 1:48,10 Minuten benötigte er für die Strecke. Persönliche Bestzeit. Schon wieder, denn bereits im Vorlauf am Samstagvormittag war der für die SG Neukölln startende 21-Jährige die Distanz so schnell wie noch nie in seinem Leben geschwommen. Zudem hatte er im Finale auch die Olympianorm für Peking unterboten. Starke qualifizierte sich damit als erster Berliner Schwimmer für die Olympischen Spiele.
Sonderlich glücklich sah der drahtige Athlet mit dem bubenhaften Gesicht in der Schwimmhalle an der Landsberger Allee jedoch nicht aus. „Vielleicht kommt das noch heute Abend“, sagte Starke. Zwar garantierten ihm seine Rekorde einen Staffelplatz bei den Sommerspielen im August, aber weil zwei Konkurrenten schneller schwammen als er, darf Starke in Peking nicht im Einzelwettbewerb antreten. Dieses große Ziel hatte er knapp verfehlt.
Deshalb kommentierte er seine Bestzeiten nahezu emotionslos: „Das war schon okay.“ Vielfach habe er in dieser Saison verletzungsbedingt aussetzen müssen, insofern sei wahrscheinlich auch nicht viel mehr möglich gewesen.
Sein Trainer Norbert Warnatzsch ist sowieso bekannt dafür, mit Lob äußerst sparsam umzugehen. Er nahm die Bestmarken von Starke wie Selbstverständlichkeiten hin. „Das hat mich nicht überrascht“, erklärte er wortkarg. Grundsätzlich beschreibt er Starke als einen sehr talentierten Schwimmer mit einem ausgeprägten Wassergefühl. Außerdem sei er „gut trainierbar“. Das ist beim anspruchsvollen Warnatzsch wahrscheinlich das höchste Lob, das man erhalten kann.
Der frühere Coach der Schwimmikone Franziska van Almsick arbeitet bereits seit Jahren daran, Berlin wieder zu einer Größe im nationalen Wettbewerb zu machen. Der hiesige Landesverband feiert sich zwar nach wie vor selbst, indem er auf seiner Homepage Berlin als die Hauptstadt des deutschen Schwimmsports bezeichnet. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Bei Olympia werden die Hoffnungen allein auf den Schultern der Ausnahmesportlerin Britta Steffen ruhen. Ansonsten, so Warnatzsch, werde sich aus der Stadt außer Starke vermutlich nur noch Dorothea Brandt für Peking qualifizieren. Vor vier Jahren belegte Brandt bei den Spielen in Athen über 50 Meter Freistil den 16. Platz.
„Die Früchte unserer Arbeit sind noch nicht zu sehen“, sagte Warnatzsch. Er habe gehofft, dass seine beiden 18-jährigen Schützlinge, Robin Backhaus und Tim Wallburger, bereits bei diesen Meisterschaften auf sich aufmerksam machen könnten. Doch eine Verletzungs- und Krankheitswelle in seiner Trainingsgruppe verhinderten dies. Wallburger trat erst gar nicht an, und Backhaus’ Leistungen blieben wegen seiner spärlichen Vorbereitung bescheiden. Das 200-Meter-Freistilrennen beendete er im Vorlauf als Zwölfter.
Um beurteilen zu können, ob vielleicht bald wieder ein Berliner Schwimmer in die Weltspitze vorstoßen kann, wird man den nächsten Olympiazyklus abwarten müssen. Solange konzentriert sich die öffentliche Aufmerksamkeit weiter auf Britta Steffen. Am Wochenende gab Warnatzsch bekannt, dass Steffen weder bei den Meisterschaften in Berlin noch in Peking über die 200 Meter Freistil starten wird. Sie wolle ihre Kräfte für die 100 Meter sparen, um dort ausgeruht ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen. Im Umfeld von Steffen träumen viele von einer Goldmedaille.
Benjamin Starke hegt derweil Hoffnungen ganz anderer Art. Er wünscht sich nichts sehnlicher als die Teilnahme an einem Einzelwettbewerb bei den Olympischen Spielen. „Vielleicht klappt es ja über die 100 Meter Schmetterling am Mittwoch“, sagte er. Starke müsste seine persönliche Bestmarke dafür um mehr als eine Sekunde unterbieten. In einer Disziplin, die er wegen eines Gleitwirbels im Lendenbereich seit längerer Zeit nicht mehr ernsthaft trainieren kann. Wirklich realistisch ist diese Vorstellung nicht. Zumindest bis Mittwoch will Starke aber an das Unmögliche glauben.